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Wahlempfehlung: Zeit für einen Wechsel

Diskutiere Wahlempfehlung: Zeit für einen Wechsel im Sonstiges Forum im Bereich Diverses; Die Medienlandschaft ist erschüttert. Zum ersten Mal seit Jahren gibt eine Zeitungsredaktion OFFEN eine Wahlempfehlung. Dieser Artikel birgt viel...
K

Kheldour

Gast
Die Medienlandschaft ist erschüttert. Zum ersten Mal seit Jahren gibt eine Zeitungsredaktion OFFEN eine Wahlempfehlung.

Dieser Artikel birgt viel Wahrheit und hilft eine objektive Meinung für die am Sonntag bevorstehende Wahl zu finden.

Viel Spaß bei der Meinungsfindung!

Gruß

Euer

KhêÏÐôur

[hr:0d9a090c51]

Aus der FTD vom 16.9.2002 www.ftd.de/wahlempfehlung
FTD-Wahlempfehlung: Zeit für einen Wechsel

Wer öffentlich Ratschläge erteilt, sollte vorher erklären, was ihm wichtig erscheint. Die Redaktion der Financial Times Deutschland trat vor zweieinhalb Jahren mit dem Ziel an, den wirtschaftlichen und politischen Wandel in Deutschland zu begleiten und zu kommentieren.

In vielen Diskussionen haben wir uns seitdem bewusst außerhalb des geltenden Konsenses gestellt: Wir stehen nicht in der Tradition der Sozialen Marktwirtschaft deutschen Musters, weil wir die soziale Komponente für überbetont halten. Sie wirkt an vielen Stellen inzwischen kontraproduktiv und schadet denjenigen, die sie eigentlich schützen soll.

Wir glauben nicht, dass sich Wirtschaftspolitik speziell auf den Mittelstand konzentrieren sollte. Vor allem aber sind wir der Meinung, dass Wirtschaftspolitik nicht allein ordnungspolitisch definiert sein darf; sie muss auch auf konjunkturelle Entwicklungen Rücksicht nehmen.

Das ist kein Plädoyer für eine keynesianische Feinsteuerung, wie sie von einigen Regierungen in den 60er und 70er Jahren betrieben wurde. Aber auch das Gegenteil solch einer Politik wäre falsch. Eine Regierung, deren Land in der Rezession steckt, darf nicht fallende Steuereinnahmen durch Ausgabenkürzungen kompensieren. Wir sind keine antizyklischen Keynesianer, aber entschiedene Gegner einer prozyklischen Wirtschaftspolitik, wie sie in Deutschland betrieben wird.

Auch sind wir keine Ideologen des freien Marktes. Es gibt viele Aufgaben, die dem Staat obliegen sollten, wie etwa die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, die Bildungs- und Gesundheitspolitik. Wir glauben aber, dass der Staat einen deutlich geringeren Anteil am Wirtschaftsaufkommen haben sollte als der private Sektor. Dieser wird hier zu Lande durch eine große Zahl unnötiger Gesetze und Vorschriften stranguliert. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb etwa oder das Ladenschlussgesetz sind absurde deutsche Sonderwege. Die Wirtschaft braucht mehr Raum zum Atmen.

In der Außen- und Sicherheitspolitik vertreten wir eine Position, die man konservativ nennen könnte. Wir befürworten eine starke Bundeswehr, aber nur als Berufsarmee. Wir fordern höhere Budgets für Verteidigung, die vornehmlich in Investitionen und Forschung fließen sollen. Und wir stehen fest zum transatlantischen Bündnis und zu einer starken, demokratisch legitimierten Europäischen Union. Wir stehen auch loyal auf der Seite Israels, nicht allein aus historischer Verantwortung, sondern aus strategischem Kalkül. Israel ist unser wichtigster Verbündeter im Nahen Osten, die einzige Demokratie in der Region und ein wichtiger Partner für das westliche Bündnis.

Liberale Positionen vertreten wir in der Gesellschaftspolitik. Wir sind fest davon überzeugt, dass Deutschland nicht nur ein Einwanderungsland ist, sondern trotz seiner hohen Arbeitslosigkeit mehr Zuwanderer braucht. Wir kritisieren die geringe Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und haben uns gegen die rechtliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ausgesprochen.

Wirtschafts- und Außenpolitik

In einer modernen Industriegesellschaft stehen bei jeder Wahl viele Politikfelder zur Debatte. Als global ausgerichtete Wirtschaftszeitung stellen wir beim Blick auf die Bundestagswahl 2002 jedoch zwei Felder in den Vordergrund: die Wirtschafts- und Außenpolitik. Deutschland steckt in der wohl schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Es gibt kaum noch Wachstum. Die drittgrößte Industrienation der Erde tritt auf der Stelle. Die Arbeitslosigkeit steigt. Die Sozialsysteme stehen, anders als bei anderen Rezessionen, vor dem Kollaps.

Angesichts dieser Situation braucht das Land eine Politik, die gegensteuert und radikale Reformen einleitet. Es bleibt keine Zeit mehr, abzuwarten oder zu hoffen, dass alles nicht so schlimm kommen wird. Wachstum ist aus unserer Sicht eines der wichtigsten politischen Ziele der kommenden vier Jahre.

Ebenso wichtig ist uns die Außen- und Sicherheitspolitik. Im Wahlkampf hat sich der Blick der Öffentlichkeit auf den Irak-Konflikt verengt. Doch Außenpolitik reicht viel weiter. Die Europäische Union öffnet sich nach Osten, der Konvent verhandelt über eine Verfassung. Noch in der Amtszeit des nächsten Bundeskanzlers muss Europa über seine Zukunft entscheiden. Das ist die wichtigste Weichenstellung seit den Römischen Verträgen vor 45 Jahren.

Zugleich muss Deutschland seine Rolle im Dreieck der EU-Großmächte definieren. Das Verhältnis zu Frankreich muss wieder belebt, Großbritanniens Abdriften in Richtung USA gebremst werden. Als zentrales Land in Europa trägt Deutschland eine hohe sicherheitspolitische Verantwortung.

Gäbe es Politiker oder Parteien, die uns in allen Punkten beipflichteten, wäre ihnen unsere Stimme sicher. Doch das ist nicht der Fall. Wir kennen keine Gruppierung, die diese Mischung von Grundüberzeugungen und politischen Prioritäten unterstützt. Somit fällt es auch nicht leicht, eine Wahlempfehlung für die Bundestagswahl am Sonntag auszusprechen. Wir tun es dennoch, denn auch der Wähler kann seine Stimme nicht gewichten, einschränken oder unter Bedingungen stellen.

Falsche Ziele der PDS

Leicht fällt die Beurteilung der PDS. Wir halten fast alles, was diese Partei vorschlägt, für falsch. Ihre Hochsteuerpolitik basiert auf Neid und einem falschen Verständnis marktwirtschaftlicher Prozesse. In der Außenpolitik steht sie weit außerhalb der westlichen Wertegemeinschaft. Ihre prinzipielle Ablehnung der Einsätze in Mazedonien, im Kosovo und in Afghanistan zeigt, dass die PDS ein anderes Verständnis der Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten hat als wir.

Bei SPD und Grünen, Union und FDP resultiert unsere politische Bewertung aus einer Abwägung von Argumenten.

Enttäuschende Bilanz der SPD

Die SPD hat aus unserer Sicht zwar manches geleistet, bei den Politikfeldern, die für uns im Vordergrund stehen, aber eklatant versagt. Das liegt nicht daran, dass wir grundsätzlich keine Sympathie für die Sozialdemokraten und Gerhard Schröder hätten. Im Gegenteil: Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren hätten die Sozialdemokraten unsere Stimme bekommen. Nach 16 Jahren war Helmut Kohls Regierung politisch, personell und moralisch am Ende. Die SPD bot sich als moderne, reformierende Partei an; mit Gerhard Schröder kam eine neue Generation der Pragmatiker an die Macht.

In der Tat hat die SPD die Hoffnung, die viele Deutsche in sie gesetzt haben, zunächst zum Teil erfüllt, später dann aber enttäuscht. Dass die Regierung eine Rentenreform mit Einstieg in die Kapitaldeckung angestoßen hat, ist einer der größten Pluspunkte in Schröders Bilanz. Auch halten wir die Steuerreform für ein gelungenes Paket - mit einigen wichtigen Abstrichen. Wir bevorzugen ein einfaches Stufenmodell mit zwei oder drei Stufen, einem Steuerhöchstsatz von 40 Prozent; und wir haben auch dafür plädiert, angesichts der Rezession im vergangenen Jahr die weiteren Stufen der Steuerreform vorzuziehen. Wegen der Flutkatastrophe geschieht jetzt genau das Gegenteil.

In der Fiskalpolitik hat die SPD auf Konsolidierung gesetzt, allerdings ohne Rücksicht auf die Konjunktur und auf die Qualität der Staatsausgaben, vor allem aber ohne flankierende Reformen in den Sozialsystemen. Durch Sparaktionen hat Finanzminister Hans Eichel den Haushalt zunächst konsolidiert. Dabei gab er Ressorts wie Familie und Bildung mehr Geld, musste aber an anderer Stelle umso mehr sparen. Der Preis war ein Rückgang von Investitionen.

Der Kardinalfehler war der mangelnde politische Mut, den im Ziel richtigen, in der Konstruktion aber fehlerhaften europäischen Stabilitätspakt zu reformieren. Der Zwang, das Haushaltsdefizit nicht drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes übersteigen zu lassen, hat so zu ökonomischen Fehlentscheidungen geführt: Trotz Rezession und anhaltender Flaute erhöhte die Regierung im Herbst 2001 einige Steuern zur Gegenfinanzierung ihrer Sicherheitspolitik, ließ eine weitere Erhöhung der Sozialabgaben zu und verschob zuletzt die zweite Stufe der Steuerreform um ein Jahr. Die deutsche Fiskalpolitik verhält sich damit wieder einmal prozyklisch.

Am Arbeitsmarkt versäumte die Regierung, rechtzeitig strukturelle Reformen einzuleiten - was sich jetzt in den hohen Arbeitslosenzahlen rächt. Auch die eilends zusammengeschusterten Hartz-Vorschläge, die sich auf die Vermittlung Arbeitsloser konzentrieren, gehen am Kern des Problems vorbei.

Warum also sollte man Schröder eine zweite Chance geben? Woher das Vertrauen nehmen, dass der Kanzler - nach den verschenkten Jahren der "ruhigen Hand" - mit einem Mal wieder zu Reformen bereit ist?

In der Außen- und Sicherheitspolitik hat die SPD nach einem gelungenen Start ebenfalls versagt. Noch im vergangenen Herbst bewies Schröder enormen Mut, als er die Vertrauensfrage stellte und damit die deutsche Beteiligung an einem Einsatz in Afghanistan erzwang. Schröders kategorisches Nein zum Militäreinsatz in Irak - unabhängig von UN-Entscheidungen - dagegen ist der schwerwiegendste Fehler in der Außenpolitik seit der deutschen Anerkennung Kroatiens im Jahre 1991. Schröder hat die transatlantischen Beziehungen damit nachhaltig geschädigt und Deutschland innerhalb der EU isoliert.

Mit seinem wahltaktischen Vorstoß hat Schröder bewiesen, dass er bereit ist, den Interessen des Landes zu schaden, um seinen eigenen zu nutzen. Damit - und mit seinem Versagen in der Wirtschaftspolitik - hat er sich in unseren Augen als Regierungschef für die nächste Wahlperiode disqualifiziert.

Deutliche Erfolge der Grünen

Anders die Grünen: Gesellschaftspolitisch und innenpolitisch sind sie inzwischen die modernste Kraft in Deutschland; die meisten Impulse zu Reformen gingen in den vergangenen vier Jahren nicht von der SPD, sondern von den Grünen aus, und zwar nicht nur in der Umwelt- oder Verbraucherpolitik. Allerdings hat der kleinere Koalitionspartner die falschen Prioritäten gesetzt. Mit der Ökosteuer, dem Dosenpfand und dem Ausstieg aus der Kernenergie haben die Grünen einen großen Teil ihres politischen Kapitals an falscher Stelle investiert. Was an Liberalisierungspolitik übrig blieb, fiel von der allzu langen Prioritätenliste herunter.

Unbestritten ist, dass die Grünen mit Joschka Fischer einen der großen deutschen Außenminister stellen, auch wenn er sich in den vergangenen Wochen an der desaströsen Irak-Politik der Bundesregierung beteiligt hat; er trat immerhin mit leiseren Tönen und größerem diplomatischen Geschick auf als der Kanzler. Fischers Lebensleistung besteht dennoch darin, eine weitgehend pazifistische Generation davon überzeugt zu haben, dass es Situationen gibt, in denen militärische Interventionen Flächenkriege verhindern und Leben retten können. Ohne Fischer wäre das nicht gelungen.

Honoriert man dies samt den Reformen, die die Grünen angestoßen haben, müsste unsere Stimme an die ehemalige Protestpartei gehen. Ein Regierungswechsel indes wird sich auf diese Weise nicht herbeiführen lassen. Im Gegenteil: Gerhard Schröder könnte so wahrscheinlich weitere vier Jahre im Amt bleiben und das Land damit in eine gefährliche Lage bringen.

Inakzeptables Personal der FDP

Aus dem Grund müssen wir auf die Opposition setzen: Würden wir nach Parteiprogrammen wählen, so wäre die FDP unser haushoher Favorit. Ihre Vorschläge, insbesondere in der Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, entsprechen weitgehend unseren Positionen. Dennoch haben wir mit den Liberalen erhebliche Probleme - vor allem mit ihrem Personal. Die von FDP-Vize Jürgen Möllemann angezettelte Antisemitismus-Debatte und seine penetrante Kritik an Israel haben aus dem Versuch einer populistischen Öffnung der FDP ein Desaster gemacht. Rückt Möllemann ins Kabinett, würde dies den außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik weiter schaden.

Mitschuld trägt auch der bislang schwache FDP-Parteichef Guido Westerwelle. Er hätte frühzeitig die Gelegenheit nutzen müssen, Möllemann zum Rücktritt zu zwingen. Stattdessen lieferte er sich diesem aus. Mit Guidomobil und Fallschirmsprüngen hat das Duo einen Wahlkampf hingelegt, in dem es nicht in erster Linie um Sachthemen, sondern um Showeffekte ging, und dessen Wirkung katastrophal gewesen sein dürfte.

Vor zehn Jahren versank die FDP einmal in der Bedeutungslosigkeit, als sie sich als Partei der Besserverdienenden ausgab. Auch die Idee einer Spaßpartei finden viele Menschen, insbesondere FDP-Mitglieder, nicht lustig. Wer Sachthemen derart in den Hintergrund drängt, hat am Ende kein Mandat verdient, sie durchzusetzen. Die FDP ist aus unserer Sicht daher kaum wählbar.

Leichter Vorteil für die Union

Bleibt die Union. Ihre Bewertung fällt nicht leicht, da sie neben wichtigen Pluspunkten auch erhebliche Schwächen aufweist. Nach Jahren der Lähmung unter Helmut Kohl schien es noch vor einem Jahr, als würde die Union im Zuge des Spendenskandals viele Jahre zur personellen und programmatischen Erneuerung benötigen. Es schien undenkbar, dass sie bereits zur Bundestagswahl 2002 eine glaubwürdige Alternative zu Rot-Grün würde präsentieren können. Trotz aller Schwierigkeiten ist ihr das gelungen, auch wenn noch immer viele das Sagen haben, die schon zu Kohls Zeiten eine Rolle spielten.

Stoiber symbolisiert nach außen sicher nicht den Aufbruch, den Deutschland jetzt dringend braucht. Er ist kein schneller Entscheider und gibt in der Öffentlichkeit wie im persönlichen Gespräch ein fahriges Bild ab. Wichtiger als die Frage, wie gut ein Kanzler spricht, ist in Krisenzeiten wie diesen aber die Frage, ob er tatsächlich ein Reformer ist. Seine Bilanz als Ministerpräsident von Bayern weist ihn als moderaten Reformer aus, sein ängstliches Verhalten als Kanzlerkandidat weckt indes Zweifel.

Was Stoiber nach unserem Eindruck aber verstanden hat, ist, dass Stillstand Rückschritt bedeutet und Wachstum ohne Wandel kaum zu erreichen ist. Mit einem Kanzler, der einen Krach riskiert, um Reformern zu helfen, wäre schon viel gewonnen. Schröder hat in vier Jahren bewiesen, dass er harten Reformen des Sozialstaats ausweicht, bei Stoiber gibt es wenigstens die begründete Hoffnung, dass er sie wagt.

Allerdings wäre diese Hoffnung, die auf einem schwer beweisbaren Eindruck beruht, noch kein Grund, die Union zu wählen. Ins Kalkül gezogen werden muss daher auch das Team um Stoiber. Ihm käme nach einem Regierungswechsel erhebliche Bedeutung zu. Anders als die FDP bietet die Union eine Reihe überzeugender Politiker.

Für einen wichtigen Teil der Außenpolitik, für die die Union im Haushalt mehr Geld zur Verfügung stellen will, soll Wolfgang Schäuble stehen. Ihm muss zwar die Verstrickung in den Spendenskandal und seine Mitverantwortung für die wirtschaftspolitischen Versäumnisse der 80er und 90er Jahre vorgehalten werden. Trotzdem wäre ein Europaminister Schäuble einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren in einer Regierung Stoiber. In die Debatten um Verfassung, Reformen und Osterweiterung kann Deutschland keinen geeigneteren Vertreter schicken.

Zur Irak-Frage nimmt die Union keine so zynische Position ein wie die Bundesregierung. Das kategorische Nein des amtierenden Bundeskanzlers zu einer militärischen Intervention nützt Saddam Hussein, der Verweis der Union auf die Zuständigkeit der Vereinten Nationen dagegen lässt alle Optionen offen und ermöglicht so eine gemeinsame europäische Position.

In der Wirtschaftspolitik setzt Kanzlerkandidat Edmund Stoiber zwar zum Teil auf altbackene Rezepte und Personalien. Für ihn spricht jedoch, dass sein Programm klare Priorität auf Wachstum legt und richtige Wege dorthin benennt. Gleich zu Beginn seines Wahlkampfes postulierte Stoiber sein 3x40-Programm: Staatsquote, Spitzensteuersatz und Sozialbeiträge sollen jeweils unter 40 Prozent sinken. Dieses Konzept ist richtig und förderungswürdig.

Die Art der Finanzierung ist zwar noch unklar, allerdings steht die Union mit diesem Manko nicht alleine da. Auch die FDP weist nicht nach, woher sie das Geld für Steuerentlastungen nehmen will. Am Ende kann es nur aus Reformen des Sozialsystems und dem Wirtschaftswachstum kommen. Der Reformeifer einer Partei determiniert somit nicht nur ihr Programm, sondern auch dessen Finanzierung.

Stoiber hat erklärt, nicht ohne Lothar Späth als Superminister für Wirtschaft und Arbeit antreten zu wollen. Späth ist keineswegs der große Modernisierer. Konzepte wie Steuerfreiheit für Existenzgründer sind keine erschöpfende Antwort auf die Frage, wie man das potenzielle Wirtschaftswachstum des Landes von real jährlich zwei auf drei Prozent erhöht. Dazu bedarf es einer Reihe von Liberalisierungen, die gerade dem von der Union umworbenen Mittelstand nicht gefallen würde.

Doch Späth stünde nicht alleine da. Inhaltliche Vorschläge sind auch von Angela Merkel zu erwarten, die einen stark marktwirtschaftlichen Ansatz vertritt. Friedrich Merz wird ebenfalls entscheidende Impulse zur Förderung des Wachstums geben. Einen Namen gemacht hat sich darüber hinaus die Bildungspolitikerin Annette Schavan. Sie könnte in Berlin dazu beitragen, durch mutige Reformen den Standort Deutschland zu stärken.

In die Riege der Reformer gehört auch Roland Koch, der zwar mit einer impertinenten Kampagne gegen Zuwanderung ins Amt gekommen ist und in den Spendenskandal verstrickt war, in seinem Bundesland Hessen aber eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik betreibt.

Merkel, Merz, Schavan, Koch, in gewissem Maß auch Späth und Schäuble - das sind marktwirtschaftlich denkende Reformer, denen man zutrauen darf, die Ideen des Unions-Programms wirklich umzusetzen. Vielversprechend ist besonders die Absicht, endlich einen großen Niedriglohnsektor zu schaffen, den Kündigungsschutz Stück für Stück zu lockern und den Tarifparteien in den Betrieben mehr Eigenständigkeit zu geben.

In den ersten beiden Jahren einer Stoiber-Regierung besäße die Union voraussichtlich eine Mehrheit im Bundesrat. Das würde ihr ermöglichen, ihr Reformprogramm zügig zu verwirklichen. Stoiber hat zudem angekündigt, einen deutschen Verfassungskonvent nach Vorbild der EU einzusetzen, um eine Dauerblockade zwischen Bundestag und Bundesrat zu beseitigen. Dies ist unbedingt nötig; eine vergleichbare Initiative Gerhard Schröders gibt es nicht.

Rückständige Gesellschaftspolitik

Versprechen wir uns in der Wirtschafts- und Außenpolitik neue Impulse von einem Regierungswechsel, hegen wir in der Gesellschaftspolitik große Bedenken gegen die Union - auch wenn wir diesen Fragen angesichts der Wirtschaftskrise nicht den gleichen Stellenwert einräumen können.

Konservative Regierungen anderer Länder haben mittlerweile die Notwendigkeit weitreichender gesellschaftspolitischer Erneuerungen begriffen - etwa der Einrichtung von Ganztagsschulen und Kindertagesstätten oder der Gleichstellung von Homosexuellen. Deutschlands Konservative sind noch nicht so weit; Teile der Union stecken mit ihrem Gesellschaftsbild noch in den 50er Jahren, wie die Diskussion um die Berufung Katherina Reiches in Stoibers Kompetenz-Team gezeigt hat.

Ähnliche Einwände gelten für die Einwanderungs- und Innenpolitik. Anders als Otto Schily, der die Balance zwischen kollektiver Sicherheit und individueller Freiheit mit Bravour gehalten hat, könnte Günther Beckstein in diesem Amt einen schärferen, populistischeren Kurs einschlagen - wenn der Koalitionspartner dies zulässt. Dies gilt auch für die Ausländerpolitik. Dass die Union einen Großteil ihres politischen Kapitals auf eine Restauration verwendet und etwa das Zuwanderungsgesetz zurückdreht, halten wir indes für unwahrscheinlich.

Man mag argumentieren, für die Union sei es am besten, weitere vier Jahre in der Opposition zu bleiben, Ideen zu sammeln und viele ihrer stockkonservativen Überzeugungen abzuwerfen. Mit dem Absacken der Umfragewerte für die Union wird auch wahrscheinlicher, dass Stoiber, sollte er die Wahl verlieren, aus der Führungsriege der Partei verschwindet und eine Episode bleibt. Die Union könnte zu einer liberaleren Politik finden und die parteiinterne Erneuerung vorantreiben.

Diese Argumente haben viel für sich, auch wenn sie taktischer und nicht inhaltlicher Art sind. In normalen Zeiten wäre das der beste Weg. Doch die Zeiten sind nicht normal. Trotz aller Bedenken bietet die Union die besten Aussichten für eine Politik, die Wachstum und internationale Integration in den Mittelpunkt stellt. Weil auf dem Wahlzettel nur eine Zweitstimme gegeben werden kann, gilt unsere Stimme der Union.


Koalitionen

Erreicht die Union ausreichend Stimmen, um die rot-grüne Regierung abzulösen, gäbe es wohl eine Koalition mit den Liberalen - jener Partei, die wir auf Grund ihres Personals für kaum wählbar halten. Und just die Grünen, deren Reformwillen wir bei aller Kritik anerkennen, müssten in die Opposition wechseln. Da wir unter allen Umständen einen Wechsel brauchen, müssen wir das in Kauf nehmen - und in vier Jahren erneut abwägen.

© 2002 Financial Times Deutschland
 
S

somsak

Gast
ja nachden vielen argumenten noch jemanden auszuwaehlen faellt ja richtig schwer.ich glaube dass ich diesmal eine muenze nehme und hochwerfe: kopf dem schroeder,zahl dem stoiber und wenn sie senkrecht stehen bleibt:die anderen.
auf alle faelle wollen sie ja nur unser bestes,falls wir noch etwas davon haben.
vielleicht frage ich meine frau,sie hat ja noch nie gewaehlt,so habe ich nach der wahl wenigstens jemanden der dafuer was mitzutragen hat.
aber ruhiger schlafen werde ich deswegen nicht besser.
also entscheide ich wieder alleine und ziehe dann die boesen thai geister als schuldige heran.
am sonntag wissen wir mehr.lassen wir uns ueberraschen.
gruss
somsak
 
M

MaewNam

Gast
Eine andere Chance für den unentschlossenen ist der Wahl-O-Mat, der aus den Antworten auf 27 Fragen eine Wahlempfehlung ausspricht. Witzigerweise bekommt man wenn einem alles egal ist die CDU :-)
 
S

seven

Gast
Der obige Artikel wird auch unter Journalisten stark kritisiert. Aus Sicht einer Wirtschaftszeitung, die auf schnelle Aktiengewinnen spekuliert und dies als Wirtschaftswachstum ansieht, ist die Wahlempfehlung sicher verständlich, auch wenn ich sie nicht teile. Mir hat das ganze eher den Anschein, als ob einige Leute ihre Position nutzen um ihre persönlichen Vorlieben unter das Wahlvolk zu bringen. Wieder ein Stück der Amerikanisierung der Wahl.

@Somsak
Es gibt ja ein paar mehr Möglichkeiten, als zwischen Schröder und Stoiber zu wählen. Wenn ich mich zwischen den beiden entscheiden müsste, d. h. nur zwischen CSU und SPD wählen könnte, würde ich wahrscheinlich gar nicht hingehen.
 
alhash

alhash

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@Kheldour

was willst Du mit diesem Artikel bezwecken? Meinst Du wirklich, er hilft mir eine objektive Meinung zu finden? Die FTD hat schon öfters Wahlempfehlungen gegeben, allerdings zu ersten mal hier in Deutschland.

Wie Seven schon schrieb:

"...als ob einige Leute ihre Position nutzen um ihre persönlichen Vorlieben unter das Wahlvolk zu bringen."

Sollte dies auch auf Dich, Kheldour, zutreffen? Willst Du uns damit Deine Vorliebe näherbringen?

Meine Entscheidung steht auch ohne diesen Artikel schon fest!

Gruß
AlHash

Um meinem Posting die Spitze zu nehemen, ich will Dich damit nicht angreifen, sondern will es lediglich als Kritik verstanden wissen.
 
K

KLAUS

Gast
Hi,
ich gehoere ja zum "aktiven Volk" der Nichtwaehler...;-)
Ungeachtet dessen verfolge ich natuerlich aus der Ferne das Wahlgeschehen...
Nun , ich frage mich, weil ich das eigentlich so kenne, warum darf eine Zeitung in einer Demokratie nicht ihren Meinung zur politik und zur wahl ausdruecken?
Sind nicht ALLE Wahler muendig, um sich selber aus der Vielzahl der politischen Ansichten, die Ihre rauszusuchen und zu entscheiden?
Ich denke ja.
Ich bin jetzt aber nicht sicher, ob das gegen das deutsche grundgesetz verstossen wuerde, denke aber nicht, sonst haette der Artikel ja nicht erscheinen koennen.
Ich halte es auch fuer legitim, als Buerger meine Wahlentscheidung oeffentlich zu machen und auch, so ich es will aus meiner Sicht zu begruenden, das sit zwar ein Stueck subjektiv, das schadet aber nichts, ist eher normal...:-)
Warum sollen also Wirtschafts und/oder politische Zeitungen nicht ihre Meinung veroeffentlichen, wenn diese ordentlich begruendet ist?
Der zu waehlende Kandidat wirbt ja auch fuer sich und seine Partei und das oft mit falschen versprechnungen und darstellungen, was man bei einer Zeitung und deren Vielfalt nicht erwarten kann, wenn sie denn als unabhaengig gilt, wenn nicht, ist es eben eine Stimme mehr zur Wahl, aus einer Parteirichtung.
Ich sehe da kein fuer mich und die wahl, kein Problem,
aber,
vielleicht liegt das an der Ferne??...:-)
Gruss Klaus
 
DisainaM

DisainaM

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Im Falle eines Wahlsieges der Opposition, müßte die FDP ja einige Ministerämter einnehmen.

Was wäre das Amt für Herrn Westerwelle - Innenminister ?
 
Loso

Loso

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@alhash
Was er damit bezwecken will hat er klar und deutlich im Thread-Titel zum Ausdruck gebracht.

Meiner Meinung nach sind grundsätzlich alle fünf Parteien im dt.Bundestag wählbar, mit zwei Einschränkungen: PDS nur in Ostdtl. wegen Identitätsstiftung und z.Z. nicht, da Denkzettel verdient, weil der begnadete Redner Gysi sein Mandat (=Wählerauftrag!)wegen Lustlosigkeit hingeschmissen hat. FDP ebenfalls Denkzettel für Möllemanns Rabin/Friedman Steckbrief-Werbung diese Woche und dem albernen Theater mit Kanzlerkandidatur. Bleiben SPD,CDU/CSU,Grüne, im Moment jedenfalls. Ich wähle seit längerer Zeit nur noch bei Bundestagswahlen. Immer gleich, so auch am Sonntag. Mal mit mehr, mal mit weniger Bauchschmerzen. Es geht immer nur darum, das kleinere Übel zu wählen. Ich halte weder die Spitzenpolitiker der Anderen für besonders schlecht noch die der Eigenen für unfehlbar. Punkt.

Der zitierte Artikel ist jedoch so grottenschlecht dahingefaselt, dass mein damaliger Lehrer im Deutsch-Leistungskurs gar nicht genug Platz gehabt hätte für Rotstift-Bemerkungen wie "zusammenhangslose Behauptungen!", "unschlüssige Begündungen!" oder "widersprüchliche Argumentation". Wobei ausgleichender Weise jedoch alle angesprochenen Parteien fast gleich schlecht, b.z.w. ungerechtfertigt gut wegkommen.

Da es die FTD gegen die etablierte Konkurrenz schweer hat, wo "Substanz entscheidet", soll hier schlicht eine Klientel bedient und in ihrem wir-Gefühl bestärkt werden.

Von mir aus könnte also jeder innerhalb der von mir getroffenen Auswahl (5/3)einschliesslich Nicht-Wählens seine persönliche Entscheidung treffen. Aber es wäre eine Antwort auf eine nicht gestellte Frage, und daher überflüssig. Wer sicht darüber aufregt ist selber schuld.

Schönes Wochenende wünscht allen schon mal
Loso
 
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