Der Weg führt auf alle Fälle zu Neuverhandlungen über die Rückzahlungsmodalitäten mit dem IMF.
Wie in dem heutigen Bericht in der NZZ treffend beschrieben ist, braucht Thaksin höhere Liquidität, um die sozialen Folgen abzufedern, und damit die in ihn gesetzte Hoffnung zu erfüllen.
NZZ den 3. Februar 2001
Wirtschaftliche Abkühlung in Thailand
Weitere Stimulierung durch die neue Regierung erwartet
Die thailändische Wirtschaft steht bereits wieder mitten in einer Abkühlungsphase. Die Zuwächse bei den Ausfuhren gehen zurück, und die Wirkung der Steuerreduktionen auf die Konsumnachfrage lässt nach. Von der neuen Regierung wird eine Revisiondes Budgets erwartet; Bangkok will offenbar auch die Bedingungen über die Rückzahlung des IMF-Kreditpakets anpassen.
rt. Singapur, 2. Februar
Nach einem Jahr, das mit ansprechenden Konjunkturdaten begann, hat sich die thailändische Wirtschaft gegen Ende des vergangenen Jahres wieder etwas abgekühlt, und es mehren sich nun die Anzeichen, dass in diesem Jahr die Nachfrageimpulse etwas schwächer als 2000 ausfallen dürften. Thailand, rein statistisch gesehen die grösste Volkswirtschaft in der Asean-Ländergruppe, könnte so gewissermassen als Spiegel des konjunkturellen Verlaufs im südostasiatischen Raum stehen: eine relativ rasche Erholung nach der Asienkrise, die zwar bezüglich Dynamik viele überrascht hat, die aber doch zu kurz und zu einseitig war, um eine Breitenwirkung zu entfalten, von der auch Bevölkerungskreise ausserhalb der unmittelbar prosperierenden Branchen profitieren konnten. Auf diesem Hintergrund ist wohl auch die jüngste politische Entwicklung im Königreich zu sehen, die die populistische Partei Thai Rak Thai und den durch wirtschaftliche Versprechen aufgefallenen Unternehmer Thaksin an die Hebel der Macht gerückt hat. Wie wenig die Narben der Asienkrise verheilt sind, ist ja auch daran zu erkennen, dass George Soros, der nach wie vor als einer der Auslöser der Finanzkrise betrachtet wird, wegen drohender Proteste von einem Besuch in Bangkok absehen musste.
Nach unten korrigierte Prognosen
Es ist, wie erinnerlich, noch kein Jahr her, dass Beobachter und vor allem der Internationale Währungsfonds (IMF) Thailand als Musterknaben gewürdigt haben, welcher der Finanzkrise am schnellsten die Stirn geboten hat und sich dank Reformen scheinbar flink aus der Depression winden konnte. Der Blick zurück wirkt etwas ernüchternd. Das Land weist fürs vergangene Jahr bestenfalls ein Wachstum von 4,5% aus. Zieht man zudem in Betracht, dass diese Belebung sehr einseitig von der Exportnachfrage getragen worden ist, präsentiert sich die Basis im Lichte derjüngsten Konjunkturtrends als recht schmal. Thailands Exporte sind zwar relativ breit abgestützt, und elektronische Güter machen bloss 9% der Ausfuhren aus (zum Vergleich: Malaysia 54%, Taiwan 41%), doch 70% der thailändischen Exporte gehen in die USA oder in die umliegenden asiatischen Länder und hier vor allem nach Japan, wo die Konjunkturaussichten getrübt sind. Nach einem Exportwachstum von 17% im November im Vergleich zum Vorjahr betrug der Zuwachs im Dezember nur noch 11%.
In diesem Zusammenhang hat die thailändische Notenbank zu Beginn der Woche ihre Prognose für das laufende Jahr nach unten revidiert. Bei einer grosso modo von 19% auf die Hälfte reduzierten Wachstumsrate der Ausfuhren dürfte auch die Gesamtwirtschaft schwächer als bisher expandieren, nämlich nur noch um 3% bis 4,5%. Die Bank of Thailand schätzt, dass die Abflachung der Nachfrage in den ersten sechs Monaten am deutlichsten auffällt und dass nur noch ein 2-3%iges Wachstum erzielt werden kann. In der zweiten Hälfte dürfte sich das Bild wieder etwas aufhellen, allerdings nur, falls die Konjunktur in den Vereinigten Staaten dank Zinssenkungen wieder stärkere Lebenszeichen von sich gibt.
Revision des Budgets erwartet
Die Konsumnachfrage ist ein weiterer Grund für die im laufenden Jahr erwartete Stabilisierung auf tieferem Niveau. Der zurückliegende Aufschwung war auch von den privaten Ausgaben getragen, die antizyklisch durch eine lockere Fiskalpolitik stimuliert wurden. So wurden die Mehrwertsteuer (von 7% auf 5%) und die direktenSteuern vorübergehend gesenkt sowie die Staatsausgaben erhöht. Die Effekte dieser Ankurbelung sind aber naturgemäss mittlerweile am Auslaufen. Nach einer Steigerung von rund 4,5% dürfte der Zuwachs laut Einschätzungen verschiedener Prognoseinstitute im laufenden Jahr unter 4% liegen. Diese Abschwächung ist ein Grund, weshalb die Notenbank nach eigenen Angaben ihre Zinsen auf tiefem Niveau halten wird. Die Kehrseite dieser Politik äussert sich in einem starken Kapitalabfluss, der auf Rückzahlungen von Dollarschulden zurückzuführen ist. Die Landeswährung, der Baht, steht gegenüber dem US-$ inzwischen bei B 42.60.
Von der neuen Regierung wird erwartet, dass sie als eine der ersten Massnahmen angesichts der gedämpfteren Konjunkturdaten das Budget für 2001 revidieren wird. So ist in diesem Umfeld kaum davon auszugehen, dass im Oktober die Mehrwertsteuer wieder auf 10% erhöht wird. Beobachter gehen davon aus, dass die Regierung eher versuchen wird, neue Anreize zu schaffen, um die Konsumnachfrage, die nach zwei Durstjahren 2000 erstmals wieder expandierte, zu beleben. In dieses Bild passt jedenfalls das (offenbar wirksame) Wahlversprechen, jedem der 70 000 Dörfer einen Betrag von 1 Mio. B auszuhändigen, Schuldenrückzahlungen der Bauern für drei Jahre zu sistieren und alle Spitalaufenthalte mit Kostenzuschüssen zu versehen. Dreieinhalb Jahre nach dem Hereinbrechen der Asienkrise soll - so die Absicht der neuen Regierung - eine Politik verfolgt werden, die sicherstellt, dass die Vorteile derkonjunkturellen Erholung auch in tiefere Schichten durchsickern.
Zuwachs bei den Inlandsinvestitionen
Die Grenzen dieser Politik sind allerdings offensichtlich. Im Zuge der expansiven lockeren Haushaltsführung ist die Staatsschuld auf 56% des Bruttoinlandprodukts (BIP) gestiegen, viermal so hoch wie Ende 1996. Der Trend dürfte auch ohne Zusatzausgaben weitergehen, werden sich doch in diesem Jahr Unterstützungen für den Banken- und Finanzsektor in der Bilanz niederschlagen. Nach einer Länderstudie von UBS Warburg könnte sich die Verschuldung in diesem Jahr deshalb auf bis 65% des BIP kumulieren. Zur Schuldenlast kommt, dass Thailand das vom IMF organisierte Kreditpaket von 14,06 Mrd. $ zurückbezahlen muss. In diesem Zusammenhang ist dieAnkündigung des zukünftigen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra zu sehen, mit dem IMF die Rückzahlungsbedingungen für den Kredit neu aushandeln zu wollen. Mit der alten Regierung sind vierteljährliche Rückzahlungen im Betrag von 300 Mio. $ abgemacht worden. Thailand hat nach hohen Handelsbilanzüberschüssen inzwischen wieder gehäufte Devisenreserven von 32 Mrd. $ und keine Zahlungsbilanzprobleme. Man kann deshalb davon ausgehen, dass Neuverhandlungen mit dem IMF mit dem im Wahlkampf versprochenen Ausgabenprogramm im Zusammenhang stehen.
Angesichts der Beschränkungen, die auf der Exportseite und bei der Konsumnachfrage auszumachen sind, richten sich die Hoffnungen füreinen Aufschwung naturgemäss auf die Kapitalbildung. Davon sind im vergangenen Jahr ein paar ermutigende Zeichen ausgegangen, legten die inländischen Investitionen doch massiv zu, und zwar um 243% auf 61,5 Mrd. B. Die Vergleichsbasis des Vorjahres ist allerdings schwach, und zieht man die Beträge vor der Asienkrise in Betracht, treten die Relationen erst recht klar hervor. 1996 und 1997 lagen die Investitionen dreimal bzw. doppelt, in Dollars gerechnet sogar sechs- bzw. viermal so hoch. Einem weiteren Wachstum der inländischen Investitionen in dieser Grössenordnung dürften zunehmend Beschränkungen im Finanzsektor im Wege stehen,da Letzterer nach wie vor von Ausständen zweifelhafter Qualität belastet ist. Was ausländischeDirektinvestitionen angeht, gilt für Thailand dasselbe wie für die meisten südostasiatischen Länder: Wegen noch ungenügender Kapazitätsauslastung und wachsender Konkurrenz ostasiatischer Länder ist die Region noch weit davon entfernt, bemerkenswerte Investitionsströme an sich zu ziehen. Gesamthaft gehen die revidierten Prognosenfür 2001 immerhin von einem Zuwachs des Kapitalstocks von etwa 7% aus.
Quellennachweis :
http://www.nzz.ch/2001/02/03/wi/page-article75IGN.html