U
Udo
Gast
Aus http://www.berlinonline.de
Im Thai-Park
Kochen,reden, spielen: Der Preußenpark ist ein beliebter Treff für Asiaten
Claudia Fuchs
WILMERSDORF. Eines Tages waren sie einfach da. Sie schleppten winzige Hocker herbei, brachten Kochtöpfe mit, Schüsseln und Besteck, Gemüse und Fleisch, Gewürze und Getränke. Dann rammten sie bunte Sonnenschirme in die Wiese, setzten sich in den Schatten, kochten, redeten und spielten. Am nächsten Tag kamen sie wieder. Warum sich die Asiaten ausgerechnet im Wilmersdorfer Preußenpark niederließen, wer der Erste damals war und wie sich das Ganze herumgesprochen hat, weiß heute niemand mehr. Sicher ist: Der kleine Park zwischen Brandenburgischer und Württembergischer Straße ist seit fast zehn Jahren ein Treffpunkt für Asiaten.
Fernöstliche Gerüche
Bis in den Herbst hinein wird die Wiese zu einer Mischung aus Dorfplatz, Markt und Kneipe. An warmen Wochenenden sitzen dort bis zu 400 Leute. Doch wer die Augen schließt, merkt davon wenig. Keine Radios, keine Musik, kein Gegröle, die vorbeifahrenden Autos sind lauter. Nur ab und an ist Gelächter zu hören, und der Wind weht fernöstliche Gerüche über die Wiese.
Was den Türken der Tiergarten, ist den Asiaten der Preußenpark. Mit einem Unterschied: Auf der Wiese in Wilmersdorf sitzen keine Großfamilien. Dort mischen sich Generationen und auch die Gruppen. Manchmal sitzen bis zu 20 Leute dicht nebenein- ander, ein paar Meter weiter kochen zwei Frauen Fleisch, daneben spielen vier Kinder Karten. "Hier ist es ein bisschen wie zu Hause", sagt die Thailänderin Dooy. Sie liebe den Park, weil sie hier landestypische Speisen essen könne und Gleichgesinnte treffe.
Im "Thai-Park", wie viele ihn nennen, stellen die Thailänder die größte Gruppe, aber auch Filipinos sind da, Chinesen, Vietnamesen und Laoten. Und hin und wieder ein paar Deutsche. Wie die fünf Männer, die es sich unter Sonnenschirmen gemütlich gemacht haben: In Styropor-Kisten liegt eisgekühltes Bier, daneben steht ein Holztablett mit Gläsern und ein Eimer voll Wasser zum Spülen. Die Männer rauchen, trinken und reden - oder gehen eine Runde über die Wiese, um mit Bekannten zu schwatzen. "Ich komme seit sechs Jahren hierher", sagt der, der die Sonnenschirme aufgestellt hat. Er ist bekennender Thailand-Fan und war etwa zehn- mal dort im Urlaub. Der Mann neben ihm ist mit einer Filipina zusammen, ein anderer mit einer Thailänderin verheiratet.
Das reicht offenbar, um irgendwann dazuzugehören. "Das ist wie auf dem Dorf. Man isst und trinkt und mit der Zeit kennt man die Leute." Den Thailänder ein paar Meter weiter, der Guatdiau Nam kocht, eine scharfe Nudelsuppe mit Fleisch, oder die Frau, die Bananen in Öl brät.
Obwohl natürlich bezahlt wird, was gekauft wird, ist der Treff im Preußenpark offiziell eine Tauschbörse. Devise: Fischsuppe gegen Chilisauce. Um Lebensmittel zu verkaufen, brauchten die Asiaten eine Genehmigung, doch die hat hier niemand. Genau das sorgte vor ein paar Jahren für Unruhe. Anwohner hatten sich beschwert über Gerüche und Geräusche, und Wilmersdorfer Christdemokraten sahen sich genötigt, nach deutscher Ordnung im Thai-Park zu rufen. Also ließ das Wirtschaftsamt Handzettel verteilen, mit Aushängen in drei Sprachen auf die Rechtslage hinweisen ("Kartenspielen nicht erlaubt") und schickte Kontrolleure. Lebensmittel wurden konfisziert und Bußgelder verhängt. Geändert hat das nichts. Was hier zubereitet wird, wird nach wie vor verkauft. Notfalls unauffällig.
Für Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) ist der Thai-Park ein Beweis dafür, wie multikulturell Berlin ist. "Aber", sagt sie, "die Leute sollen auch bedenken, dass einige Dinge bei uns nicht zulässig sind - wie Glücksspiel oder die Zubereitung von Essen im Park." Einer der Deutschen winkt ab. "Das sind doch kleine Vergehen", sagt er. "Schauen Sie sich die Wiese an. Sehen Sie irgendwo Papier?" Tatsächlich wirkt der Park, als wäre gerade ein Putztrupp der Stadtreinigung durchgezogen. Kein Papier, keine Zigarettenkippen. Neben jeder Sonnenschirminsel liegt eine große blaue Mülltüte. "Die räumen abends alles weg", sagt der Deutsche. "Das ist richtig organisiert. Früher gab es sogar mal eine Frau, die hier sauber gemacht hat." Auch er hat sich den Gepflogenheiten angepasst und nimmt seinen Müll wieder mit.
Skeptische Blicke
Dennoch: Die Kontrollen von vor zwei Jahren haben die Asiaten verunsichert. Seit die Gesetzeshüter auch inkognito da waren, ist jeder fremde Deutsche ein potenzieller Beamter auf der Suche nach Gesetzesbrechern. Skeptisch sind die Blicke dann - und manchmal reserviert. "Ein Freund von mir ist mal für einen Polizisten gehalten worden", sagt einer der Deutschen, "der hat weder was zu essen bekommen noch was zu trinken." Auch dem Wilmersdorfer Paar, das sich gerade den Weg über die Wiese bahnt, ging das zuerst so. "Freunde haben uns gestern von dem Park erzählt", sagt der Mann. Nun seien sie hier, um "schöne frische Scampi" zu kaufen. Problemlos war das nicht. "Wir haben erst was bekommen, nachdem ein Deutscher ein gutes Wort für uns eingelegt hat." Dem Paar gefällt der Thai-Park. "Urbanität ist immer was Schönes", sagt der Mann. Nur eines hat den Mitfünfziger offensichtlich irritiert. "Einer hat mir gesagt, ich solle noch mal wiederkommen - aber ohne meine Frau. Dann könne er mir eine erotische Massage vermitteln."
Im Thai-Park
Kochen,reden, spielen: Der Preußenpark ist ein beliebter Treff für Asiaten
Claudia Fuchs
WILMERSDORF. Eines Tages waren sie einfach da. Sie schleppten winzige Hocker herbei, brachten Kochtöpfe mit, Schüsseln und Besteck, Gemüse und Fleisch, Gewürze und Getränke. Dann rammten sie bunte Sonnenschirme in die Wiese, setzten sich in den Schatten, kochten, redeten und spielten. Am nächsten Tag kamen sie wieder. Warum sich die Asiaten ausgerechnet im Wilmersdorfer Preußenpark niederließen, wer der Erste damals war und wie sich das Ganze herumgesprochen hat, weiß heute niemand mehr. Sicher ist: Der kleine Park zwischen Brandenburgischer und Württembergischer Straße ist seit fast zehn Jahren ein Treffpunkt für Asiaten.
Fernöstliche Gerüche
Bis in den Herbst hinein wird die Wiese zu einer Mischung aus Dorfplatz, Markt und Kneipe. An warmen Wochenenden sitzen dort bis zu 400 Leute. Doch wer die Augen schließt, merkt davon wenig. Keine Radios, keine Musik, kein Gegröle, die vorbeifahrenden Autos sind lauter. Nur ab und an ist Gelächter zu hören, und der Wind weht fernöstliche Gerüche über die Wiese.
Was den Türken der Tiergarten, ist den Asiaten der Preußenpark. Mit einem Unterschied: Auf der Wiese in Wilmersdorf sitzen keine Großfamilien. Dort mischen sich Generationen und auch die Gruppen. Manchmal sitzen bis zu 20 Leute dicht nebenein- ander, ein paar Meter weiter kochen zwei Frauen Fleisch, daneben spielen vier Kinder Karten. "Hier ist es ein bisschen wie zu Hause", sagt die Thailänderin Dooy. Sie liebe den Park, weil sie hier landestypische Speisen essen könne und Gleichgesinnte treffe.
Im "Thai-Park", wie viele ihn nennen, stellen die Thailänder die größte Gruppe, aber auch Filipinos sind da, Chinesen, Vietnamesen und Laoten. Und hin und wieder ein paar Deutsche. Wie die fünf Männer, die es sich unter Sonnenschirmen gemütlich gemacht haben: In Styropor-Kisten liegt eisgekühltes Bier, daneben steht ein Holztablett mit Gläsern und ein Eimer voll Wasser zum Spülen. Die Männer rauchen, trinken und reden - oder gehen eine Runde über die Wiese, um mit Bekannten zu schwatzen. "Ich komme seit sechs Jahren hierher", sagt der, der die Sonnenschirme aufgestellt hat. Er ist bekennender Thailand-Fan und war etwa zehn- mal dort im Urlaub. Der Mann neben ihm ist mit einer Filipina zusammen, ein anderer mit einer Thailänderin verheiratet.
Das reicht offenbar, um irgendwann dazuzugehören. "Das ist wie auf dem Dorf. Man isst und trinkt und mit der Zeit kennt man die Leute." Den Thailänder ein paar Meter weiter, der Guatdiau Nam kocht, eine scharfe Nudelsuppe mit Fleisch, oder die Frau, die Bananen in Öl brät.
Obwohl natürlich bezahlt wird, was gekauft wird, ist der Treff im Preußenpark offiziell eine Tauschbörse. Devise: Fischsuppe gegen Chilisauce. Um Lebensmittel zu verkaufen, brauchten die Asiaten eine Genehmigung, doch die hat hier niemand. Genau das sorgte vor ein paar Jahren für Unruhe. Anwohner hatten sich beschwert über Gerüche und Geräusche, und Wilmersdorfer Christdemokraten sahen sich genötigt, nach deutscher Ordnung im Thai-Park zu rufen. Also ließ das Wirtschaftsamt Handzettel verteilen, mit Aushängen in drei Sprachen auf die Rechtslage hinweisen ("Kartenspielen nicht erlaubt") und schickte Kontrolleure. Lebensmittel wurden konfisziert und Bußgelder verhängt. Geändert hat das nichts. Was hier zubereitet wird, wird nach wie vor verkauft. Notfalls unauffällig.
Für Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) ist der Thai-Park ein Beweis dafür, wie multikulturell Berlin ist. "Aber", sagt sie, "die Leute sollen auch bedenken, dass einige Dinge bei uns nicht zulässig sind - wie Glücksspiel oder die Zubereitung von Essen im Park." Einer der Deutschen winkt ab. "Das sind doch kleine Vergehen", sagt er. "Schauen Sie sich die Wiese an. Sehen Sie irgendwo Papier?" Tatsächlich wirkt der Park, als wäre gerade ein Putztrupp der Stadtreinigung durchgezogen. Kein Papier, keine Zigarettenkippen. Neben jeder Sonnenschirminsel liegt eine große blaue Mülltüte. "Die räumen abends alles weg", sagt der Deutsche. "Das ist richtig organisiert. Früher gab es sogar mal eine Frau, die hier sauber gemacht hat." Auch er hat sich den Gepflogenheiten angepasst und nimmt seinen Müll wieder mit.
Skeptische Blicke
Dennoch: Die Kontrollen von vor zwei Jahren haben die Asiaten verunsichert. Seit die Gesetzeshüter auch inkognito da waren, ist jeder fremde Deutsche ein potenzieller Beamter auf der Suche nach Gesetzesbrechern. Skeptisch sind die Blicke dann - und manchmal reserviert. "Ein Freund von mir ist mal für einen Polizisten gehalten worden", sagt einer der Deutschen, "der hat weder was zu essen bekommen noch was zu trinken." Auch dem Wilmersdorfer Paar, das sich gerade den Weg über die Wiese bahnt, ging das zuerst so. "Freunde haben uns gestern von dem Park erzählt", sagt der Mann. Nun seien sie hier, um "schöne frische Scampi" zu kaufen. Problemlos war das nicht. "Wir haben erst was bekommen, nachdem ein Deutscher ein gutes Wort für uns eingelegt hat." Dem Paar gefällt der Thai-Park. "Urbanität ist immer was Schönes", sagt der Mann. Nur eines hat den Mitfünfziger offensichtlich irritiert. "Einer hat mir gesagt, ich solle noch mal wiederkommen - aber ohne meine Frau. Dann könne er mir eine erotische Massage vermitteln."