K
Kali
Gast
Als alter Ostfrieslandurlauber kann ich ein Lied davon singen. Sie haben schon etwas Eigenbrötlerisches an sich, diese Landeier. Festgefahren in ihren Meinungen und Vorstellungen, zum Teil noch sehr bodenständig, familienbezogen, und strahlen mitunter in ihren Blaumännern und Stiefeln beim Melken eine Harmonie aus, die allerdings nicht gerade eine stark erotisierende Wirkung hat.
Glaubt man, denn wie so oft im Leben, sitzt man auch hier einem gewissen Vorurteil, gewissermassen einer Vorverurteilung, auf. Dumm sind sie nicht, diese Landeier, im Gegenteil, sie wissen, was sie wollen, auch, wenn sie vielleicht gerade die Hauptschule mit Erfolg absolviert haben, rasch geheiratet und Kinder bekommen – oder umgekehrt – und sich in die Rolle einer biederen Hausfrau eingefunden haben. Sie sind eben unter anderen Bedingungen aufgewachsen, haben zum Teil feste Wertvorstellungen vermittelt bekommen – obwohl, so ganz ohne sind sie auch nicht.
Um Missverständnissen vorzubeugen: ich rede immer noch von Ostfriesland, auch, wenn sich dort durch den Rückgang der selbständigen Landwirtschaft und der im Vergleich zur übrigen Republik sehr hohen Arbeitslosigkeit (in manchen Gemeinden über 50 %) doch schon einiges gewandelt hat, angepasst zum übrigen Leben in dieser unseren Republik. Auch dort haben unser heiliger Konsum und die Entfremdung von der bisherigen Lebensweise bereits lange ihren Einzug gehalten.
Was Kali eigentlich sagen will: diese unsere Landeier sind nicht dümmer als der bundesrepublikanische Durchschnitt, haben allerdings aufgrund ihrer besonderen Entwicklung mitunter nicht die Chancen gehabt bzw. wahrgenommen, um ihr Potential an Intelligenz und Abstraktionsfähigkeit angemessen zu nutzen. Von daher wird jeder Städter – war es eigentlich schon einmal anders ? – sie nach wie vor mit einer etwas hochnäsigen Geringschätzigkeit bedenken.
Sehr Ihr, und genauso verhält es sich mit den Frauen und Mädels, die ich in dem Dorf meiner Frau kennengelernt habe. Nicht dümmer oder mit weniger Gehirnzellen ausgestattet als der thailändische Durchschnitt sind sie eben unter besonderen Bedingungen aufgewachsen, z.T. ohne je eine Schule von innen gesehen zu haben. Doch kann oder darf ich Ihnen überhaupt einen Vorwurf machen, wenn sie noch nie in eine Land- bzw. Autokarte gesehen haben ? Dass eines schönen Tages ein Gasherd für sie das war, was man hierzulande als technischen Fortschritt bezeichnen würde ? Dass ich einen ihrer berühmtesten Schriftsteller kenne, Pira Sudham, kümmert sie herzlich wenig. Und, dass sie von Goethe und Schiller noch nie etwas gehört haben, belastet sie auch nicht. Und, dass ich nach einem Systemabsturz den Compi ganz selbständig wieder ans Laufen kriege, reisst Suay, dieses mir angetraute ´Landei´. auch nicht gerade vom Hocker. Es gäbe noch viele Dinge, die allerdings schon wiederholt angeschnitten wurden, wie z.B. die Bearbeitung der Mikrowelle mit dem Topfschwamm, die zaghafte Verwendung von Wasser beim Putzen, die Messerhaltung beim Gemüseschneiden und und und...
Internationale Politik ist ein Fremdwort für sie, davon werden sie nicht satt, und wenn ich mit ihnen über metakommunikative Interaktionsanalyse sprechen wollte, würden sie mir vermutlich einen ´mOO pii´, einen Geist-Beschwörer, auf den Hals schicken.
Es bedarf eines besonderen Verständnisses unsererseits, die wir jemanden vom Land in Thailand kennengelernt und wohl den Rest unseres Lebens (vielleicht auch das nächste?) mit ihm (ihr) verbringen werden (wollen). In ihrer Heimat unter ihren ´gewohnten´ Lebensbedingungen zeigt Suay eine verblüffende Auffassungsgabe, eine rationale Arbeitseinteilung und eine starke Differenzierung im zwischenmenschlichen Umgang.
Hier in dieser unseren hochgezüchteten Welt trat erst einmal die grosse Hilflosigkeit ein; ein total fremdes und mit ebenso fremden Menschen besiedeltes Land mit Gewohnheiten, die gewöhnungsbedürftig sind – aus ihrer Sicht. wobei die Benutzung von Toilettenpapier vermutlich noch nicht einmal die unsympathischste war. Sie haben aber auch einen leichten Hau, die Farangs, gehen Spazieren ohne Ziel, gehen ´Geschäfte gucken´, ohne etwas zu kaufen, verlangen, dass man beim Putzen und Duschen so viel Wasser verschwendet, wenn sie jemanden besuchen, nehmen sie Blumen mit, sitzen stundenlang auf dem Hintern und reden, reden und reden. Sie essen mit Messer und Gabel – könnten sich das Fleisch auch vorher klein schneiden. Und dieses Küssen, dieses Abschlecken, igitt, igitt. Und was haben sie nach Sonnenuntergang noch da rumzusitzen. Morgen ist auch noch ein Tag !?
Nein, sie sind nicht dümmer, nur wünsche ich mir selbst, dass ich mich von dieser sporadischen Arroganz befreien könnte, die mich immer dann befällt, wenn ich unzufrieden werde mit der eingeschränkten Kommunikation, die aber ihre eigentliche Ursache hat in meinem eigenen Unverständnis, der Ungeduld meiner Frau und ihrem Leben gegenüber. Dann kommen sie schon einmal, diese berühmten Zweifel, ob es alles so richtig war
Mein Fazit für heute: Suay und ich teilen mit Sicherheit nicht alle Interessen – aber wir teilen unser Leben miteinander. Im Grunde liebe ich sie u.a. gerade deswegen, weil sie so ganz anders ist als ich es gewohnt bin.
herzlichst, Kali
Glaubt man, denn wie so oft im Leben, sitzt man auch hier einem gewissen Vorurteil, gewissermassen einer Vorverurteilung, auf. Dumm sind sie nicht, diese Landeier, im Gegenteil, sie wissen, was sie wollen, auch, wenn sie vielleicht gerade die Hauptschule mit Erfolg absolviert haben, rasch geheiratet und Kinder bekommen – oder umgekehrt – und sich in die Rolle einer biederen Hausfrau eingefunden haben. Sie sind eben unter anderen Bedingungen aufgewachsen, haben zum Teil feste Wertvorstellungen vermittelt bekommen – obwohl, so ganz ohne sind sie auch nicht.
Um Missverständnissen vorzubeugen: ich rede immer noch von Ostfriesland, auch, wenn sich dort durch den Rückgang der selbständigen Landwirtschaft und der im Vergleich zur übrigen Republik sehr hohen Arbeitslosigkeit (in manchen Gemeinden über 50 %) doch schon einiges gewandelt hat, angepasst zum übrigen Leben in dieser unseren Republik. Auch dort haben unser heiliger Konsum und die Entfremdung von der bisherigen Lebensweise bereits lange ihren Einzug gehalten.
Was Kali eigentlich sagen will: diese unsere Landeier sind nicht dümmer als der bundesrepublikanische Durchschnitt, haben allerdings aufgrund ihrer besonderen Entwicklung mitunter nicht die Chancen gehabt bzw. wahrgenommen, um ihr Potential an Intelligenz und Abstraktionsfähigkeit angemessen zu nutzen. Von daher wird jeder Städter – war es eigentlich schon einmal anders ? – sie nach wie vor mit einer etwas hochnäsigen Geringschätzigkeit bedenken.
Sehr Ihr, und genauso verhält es sich mit den Frauen und Mädels, die ich in dem Dorf meiner Frau kennengelernt habe. Nicht dümmer oder mit weniger Gehirnzellen ausgestattet als der thailändische Durchschnitt sind sie eben unter besonderen Bedingungen aufgewachsen, z.T. ohne je eine Schule von innen gesehen zu haben. Doch kann oder darf ich Ihnen überhaupt einen Vorwurf machen, wenn sie noch nie in eine Land- bzw. Autokarte gesehen haben ? Dass eines schönen Tages ein Gasherd für sie das war, was man hierzulande als technischen Fortschritt bezeichnen würde ? Dass ich einen ihrer berühmtesten Schriftsteller kenne, Pira Sudham, kümmert sie herzlich wenig. Und, dass sie von Goethe und Schiller noch nie etwas gehört haben, belastet sie auch nicht. Und, dass ich nach einem Systemabsturz den Compi ganz selbständig wieder ans Laufen kriege, reisst Suay, dieses mir angetraute ´Landei´. auch nicht gerade vom Hocker. Es gäbe noch viele Dinge, die allerdings schon wiederholt angeschnitten wurden, wie z.B. die Bearbeitung der Mikrowelle mit dem Topfschwamm, die zaghafte Verwendung von Wasser beim Putzen, die Messerhaltung beim Gemüseschneiden und und und...
Internationale Politik ist ein Fremdwort für sie, davon werden sie nicht satt, und wenn ich mit ihnen über metakommunikative Interaktionsanalyse sprechen wollte, würden sie mir vermutlich einen ´mOO pii´, einen Geist-Beschwörer, auf den Hals schicken.

Es bedarf eines besonderen Verständnisses unsererseits, die wir jemanden vom Land in Thailand kennengelernt und wohl den Rest unseres Lebens (vielleicht auch das nächste?) mit ihm (ihr) verbringen werden (wollen). In ihrer Heimat unter ihren ´gewohnten´ Lebensbedingungen zeigt Suay eine verblüffende Auffassungsgabe, eine rationale Arbeitseinteilung und eine starke Differenzierung im zwischenmenschlichen Umgang.
Hier in dieser unseren hochgezüchteten Welt trat erst einmal die grosse Hilflosigkeit ein; ein total fremdes und mit ebenso fremden Menschen besiedeltes Land mit Gewohnheiten, die gewöhnungsbedürftig sind – aus ihrer Sicht. wobei die Benutzung von Toilettenpapier vermutlich noch nicht einmal die unsympathischste war. Sie haben aber auch einen leichten Hau, die Farangs, gehen Spazieren ohne Ziel, gehen ´Geschäfte gucken´, ohne etwas zu kaufen, verlangen, dass man beim Putzen und Duschen so viel Wasser verschwendet, wenn sie jemanden besuchen, nehmen sie Blumen mit, sitzen stundenlang auf dem Hintern und reden, reden und reden. Sie essen mit Messer und Gabel – könnten sich das Fleisch auch vorher klein schneiden. Und dieses Küssen, dieses Abschlecken, igitt, igitt. Und was haben sie nach Sonnenuntergang noch da rumzusitzen. Morgen ist auch noch ein Tag !?
Nein, sie sind nicht dümmer, nur wünsche ich mir selbst, dass ich mich von dieser sporadischen Arroganz befreien könnte, die mich immer dann befällt, wenn ich unzufrieden werde mit der eingeschränkten Kommunikation, die aber ihre eigentliche Ursache hat in meinem eigenen Unverständnis, der Ungeduld meiner Frau und ihrem Leben gegenüber. Dann kommen sie schon einmal, diese berühmten Zweifel, ob es alles so richtig war

Mein Fazit für heute: Suay und ich teilen mit Sicherheit nicht alle Interessen – aber wir teilen unser Leben miteinander. Im Grunde liebe ich sie u.a. gerade deswegen, weil sie so ganz anders ist als ich es gewohnt bin.
herzlichst, Kali