C
Claus
Gast
"Die Strasse der Langnasen"
Eine Strasse in Bangkok ist berühmt wie keine andere: die Khao San Road. Seit zwanzig Jahren trifft sich dort die Traveller-Gemeinschaft der Rucksack- und Sandalenszene.
Mehr Luft ! Schulter an Schulterdrücken sich die Fussgaenger auf dem Bürgersteig an Wechselschalter, Schmuckstand und Freiluft-Frisör vorbei, röhrend, knatternd schlängeln sich einen Meter entfernt Taxen und Tuck-Tucks durch die enge Passage aus Asphalt, die ihnen noch verblieben ist. Über den Köpfen schreien Leuchtreklamen ihre Botschaften über die Khao San Road: Reisebüro ! Gästehaus ! Kneipe ! Internet Cafe !
Man kann nun wiklich nicht behaupten, dass diese Strasse eine Oase der Erholung wäre. Die feuchte Tropenluft drückt auf die Lunge, die Abgase tun ihr Übriges, und die Atmmospähre ist alles andere als gelassen. Dennoch ist die Khao San Road die wohl berühmteste Strasse Bangkoks: Sie ist die Globetrottermeile ! Eint vor allem Heimstatt von Hippies in der Fremd, ist sie längst so wichtig, dass jeder, der mit dem Rucksack in diese Ecke der Welt reist, hierher kommt. Am Anfang des Trips oder am Ende oder vor und nach Kambodscha, Laos, Vietnam. Sie ist der verlängerte Arm des heimischen Reisebüros, hier gibt es Visa und preiswerte Tickets.
Geliebt werden diese 300 Meter Asien aber nicht. Ebenso wie der Besuch der Khao San Road ist es für die Traveller, wie sich die Rucksackreisenden nach dem englischen Wort für "reisen" nennen, auch ein Muss, über dieses Fleckchen Erde zu schimpfen. Dass das nun echt nichts mehr mit Thailand zu tun hat, wird gerummelt. dass der Kommerz die Strasse im Griff hat. Und in den Cafes sieht jeder im Nachbarn schon den, den er nie hier sehen wollte: die Vorhut des Massentourismus.
Dabei haben die Massen längst Einzug gehalten. Und auch die Grosskonzerne sind schon da, die dieses Klientel ja angeblich gar nicht haben will. Die amerikanische Supermarktkette Seven Eleven hat hier zwei Filialen. Und McDonald's betreibt in dem Viertel auch schon das, was ein er ein restaurant nennt - wenn auch verschämt geparkt in einer Nebenstrasse.
Alles begann 1982. Damals feierte Bangkok sein 200-jähriges Bestehen, die Regierung forcierte den Tourismus. Im gleichen Jahr erschien erstmals ein Thailand-Reiseführer für Touristen mit kleinem Budget, ein Buch, das Rucksackreisende bald nur noch "die Bibel" nannten: Der "Lonley Planet", auf Deutsch: "Einsamer Planet". Dessen Autor, der Amerikaner Joe Cummings, erzählte immer wieder gern, wie er in der Khao San Road zwei billige, saubere Hotels fand - ganz in der Nähe der wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie dem Königspalast.
Was folgte war eine wahre Invasion auf Sandalen. Heut stehen allein in dieser Strasse nach Angaben des aktuellen "Lonley Planet" um die hundert Unterkünfte und gleich Hunderte in der näheren Umgebung im Viertel Banglamphu. Jedes Haus, jedes Zimmer ist vergeben, an Restaurants, Internet-Cafes, Massage-Salons, die indischen Schneider. Und den Bürgersteig versperren Händler, die auf die Strasse ausweichen mussten. Hier gibt es praktisch alles. CD-Raubkopien für dreieinhalb Euro in fünf bis zehn Minuten. Gefälschte Presse- und Studentenausweise für zweieinhalb Euro.
Die Einheimischen ermahnen ihre Kinder schon lange, die Khao San Road zu meiden. Sie haben auch einen eigenen Begriff für die Touristen, die sich dort herumtreiben: "Farang Banglamphou", Langnasen aus Banglamphou, dem Stadtteil, in der die Jhao san Road liegt. Gleichwohl gilt das Viertel heute als trendy, junge Thais in schicken Klamotten michsch sich abends unter die Westler und flanieren über das, was ihnen womöglich ebenso fremd ist wie den Touristen: der Rummelplatz des globalen Dorfs.
Alles wegen eines Reiseführers ? Dazu muss man wissen, dass ein "Lonley Planet" alles weiss. Die neunte Auflage von 2001 lieferte auf 18 eng bedruckten Seiten Informationen zu Unterkünften in Bangkok. Da erfährt der Rucksackreisende zum Beispiel, dass das Gästehaus "Barn Thai" Zimmer für 350 - 400 Baht (um die zehn Euro) anbietet und damit "etwas teurer als normal für diese Gegtend ist", dass aber nachts auch das Tor abgeschlossen wird. Die Ausgehtipps erstrecken sich über elf Seiten. Da ist dann zu erfahren, dass das Restaurant "Royal India" für den "okay ist, den die ununterbrochenen Videovorführungen nicht stören".
Ein gutes Konzept: Wer wie ein Rucksackreisender ständig auf der Suche ist, ist schliesslich dankbar zu erfahren, wo er fündig werden kann. Und da das englischsprachige Buch fast in jedem Rucksack steckt, wird das, was drin steht, schnell zum Gesetz. Mit Folgen für die Einheimischen: Wessen Haus gut wegkommt, so heisst es hier, der kann gleich den Architekten für einen Anbau suchen. Die Traveller-Bibel von Cummings hat sich mittlerweile 500 000 mal verkauft, obwohl viele Exemplare weiterverkauft werden. Und das Unternehmen "Lonley Planet" ist im Laufe der Jahre zu einem Grossverlag gewachsen.
Auf der Khao San Road machen abenteuerliche Geschichten die Runde. Etwa, dass der Besitzer des Sidewalk Cafe zwei Rolls Royce besitzt. Bestimmt wahr ist, dass hier das Geld fliesst, selbst in den kleinen Garküchen, in denen eine Portion Pad Thai -gebratene Nudeln mit Gemüse- für umgerechnet 25 Cent zu haben ist. Die Masse macht's. Das weissauch Frau Oy, die Tag für Tag Nudeln brät und Abend für Abend angeblich mit 2000 Baht Gewinn nach Haue geht - immerhin 50 Euro.
Dennoch muss Frau Oy Joe Cummings nicht ins Nachtgebet einschliessen - denn das was in der Khao San Road geschieht, ist mehr das Ergebnis einer touristischen Revolution als das Resultat eines noch so einflussreichen Reiseführers. Thailand ist lange nicht mehr so fern wie früher: Flüge sind billig geworden, mit Englisch kommt man gut durch. Wer nur ein kleines bisschen Initiative an den Tag legt, kann es weit bringen - und auf seiner Fahrt wird er irgendwann auch in der Khao San Road landen. Und wer dieser Tage durch das Traveller-Ghetto streift, sieht sie alle: Die mit den Rastalocken, solche mit Batiktüchern, viele mit Tätowierungen, aber auch Besitzer von Rollerköfferchen und Markenklamotten. Was die Besucher eint, ist nicht mehr die alternative Einstellung - sondern der Wunsch, mit dem knappen Budget immer noch ein Stückchen weiter zu kommen.
Den Besitzer der Volk Bar wird es nicht stören, im Gegenteil. Die Bar ist ein rot-weisser VW-Bus aus der guten alten Hippe-Ära mitrot-silberner Blumentapete im Innern. Jeden Abend klappten hübsche junge Bedienungen nahe der Khao San Road das Camingdach hoch, die Seitenfenster auf, stellen Flaschen mit teurem Hochprozentigen auf den improvisierten Tresen, drehen die Musik auf, starten die Dico-Kugel. Wenn die neuen Farang Banglamphu es wünschen, mixen sie die ganze Nacht hindurch "Cocktails und Träume". Das verspricht zumdindet der Aufkleber auf der Tür des Busses.
Eine Strasse in Bangkok ist berühmt wie keine andere: die Khao San Road. Seit zwanzig Jahren trifft sich dort die Traveller-Gemeinschaft der Rucksack- und Sandalenszene.
Mehr Luft ! Schulter an Schulterdrücken sich die Fussgaenger auf dem Bürgersteig an Wechselschalter, Schmuckstand und Freiluft-Frisör vorbei, röhrend, knatternd schlängeln sich einen Meter entfernt Taxen und Tuck-Tucks durch die enge Passage aus Asphalt, die ihnen noch verblieben ist. Über den Köpfen schreien Leuchtreklamen ihre Botschaften über die Khao San Road: Reisebüro ! Gästehaus ! Kneipe ! Internet Cafe !
Man kann nun wiklich nicht behaupten, dass diese Strasse eine Oase der Erholung wäre. Die feuchte Tropenluft drückt auf die Lunge, die Abgase tun ihr Übriges, und die Atmmospähre ist alles andere als gelassen. Dennoch ist die Khao San Road die wohl berühmteste Strasse Bangkoks: Sie ist die Globetrottermeile ! Eint vor allem Heimstatt von Hippies in der Fremd, ist sie längst so wichtig, dass jeder, der mit dem Rucksack in diese Ecke der Welt reist, hierher kommt. Am Anfang des Trips oder am Ende oder vor und nach Kambodscha, Laos, Vietnam. Sie ist der verlängerte Arm des heimischen Reisebüros, hier gibt es Visa und preiswerte Tickets.
Geliebt werden diese 300 Meter Asien aber nicht. Ebenso wie der Besuch der Khao San Road ist es für die Traveller, wie sich die Rucksackreisenden nach dem englischen Wort für "reisen" nennen, auch ein Muss, über dieses Fleckchen Erde zu schimpfen. Dass das nun echt nichts mehr mit Thailand zu tun hat, wird gerummelt. dass der Kommerz die Strasse im Griff hat. Und in den Cafes sieht jeder im Nachbarn schon den, den er nie hier sehen wollte: die Vorhut des Massentourismus.
Dabei haben die Massen längst Einzug gehalten. Und auch die Grosskonzerne sind schon da, die dieses Klientel ja angeblich gar nicht haben will. Die amerikanische Supermarktkette Seven Eleven hat hier zwei Filialen. Und McDonald's betreibt in dem Viertel auch schon das, was ein er ein restaurant nennt - wenn auch verschämt geparkt in einer Nebenstrasse.
Alles begann 1982. Damals feierte Bangkok sein 200-jähriges Bestehen, die Regierung forcierte den Tourismus. Im gleichen Jahr erschien erstmals ein Thailand-Reiseführer für Touristen mit kleinem Budget, ein Buch, das Rucksackreisende bald nur noch "die Bibel" nannten: Der "Lonley Planet", auf Deutsch: "Einsamer Planet". Dessen Autor, der Amerikaner Joe Cummings, erzählte immer wieder gern, wie er in der Khao San Road zwei billige, saubere Hotels fand - ganz in der Nähe der wichtigsten Sehenswürdigkeiten wie dem Königspalast.
Was folgte war eine wahre Invasion auf Sandalen. Heut stehen allein in dieser Strasse nach Angaben des aktuellen "Lonley Planet" um die hundert Unterkünfte und gleich Hunderte in der näheren Umgebung im Viertel Banglamphu. Jedes Haus, jedes Zimmer ist vergeben, an Restaurants, Internet-Cafes, Massage-Salons, die indischen Schneider. Und den Bürgersteig versperren Händler, die auf die Strasse ausweichen mussten. Hier gibt es praktisch alles. CD-Raubkopien für dreieinhalb Euro in fünf bis zehn Minuten. Gefälschte Presse- und Studentenausweise für zweieinhalb Euro.
Die Einheimischen ermahnen ihre Kinder schon lange, die Khao San Road zu meiden. Sie haben auch einen eigenen Begriff für die Touristen, die sich dort herumtreiben: "Farang Banglamphou", Langnasen aus Banglamphou, dem Stadtteil, in der die Jhao san Road liegt. Gleichwohl gilt das Viertel heute als trendy, junge Thais in schicken Klamotten michsch sich abends unter die Westler und flanieren über das, was ihnen womöglich ebenso fremd ist wie den Touristen: der Rummelplatz des globalen Dorfs.
Alles wegen eines Reiseführers ? Dazu muss man wissen, dass ein "Lonley Planet" alles weiss. Die neunte Auflage von 2001 lieferte auf 18 eng bedruckten Seiten Informationen zu Unterkünften in Bangkok. Da erfährt der Rucksackreisende zum Beispiel, dass das Gästehaus "Barn Thai" Zimmer für 350 - 400 Baht (um die zehn Euro) anbietet und damit "etwas teurer als normal für diese Gegtend ist", dass aber nachts auch das Tor abgeschlossen wird. Die Ausgehtipps erstrecken sich über elf Seiten. Da ist dann zu erfahren, dass das Restaurant "Royal India" für den "okay ist, den die ununterbrochenen Videovorführungen nicht stören".
Ein gutes Konzept: Wer wie ein Rucksackreisender ständig auf der Suche ist, ist schliesslich dankbar zu erfahren, wo er fündig werden kann. Und da das englischsprachige Buch fast in jedem Rucksack steckt, wird das, was drin steht, schnell zum Gesetz. Mit Folgen für die Einheimischen: Wessen Haus gut wegkommt, so heisst es hier, der kann gleich den Architekten für einen Anbau suchen. Die Traveller-Bibel von Cummings hat sich mittlerweile 500 000 mal verkauft, obwohl viele Exemplare weiterverkauft werden. Und das Unternehmen "Lonley Planet" ist im Laufe der Jahre zu einem Grossverlag gewachsen.
Auf der Khao San Road machen abenteuerliche Geschichten die Runde. Etwa, dass der Besitzer des Sidewalk Cafe zwei Rolls Royce besitzt. Bestimmt wahr ist, dass hier das Geld fliesst, selbst in den kleinen Garküchen, in denen eine Portion Pad Thai -gebratene Nudeln mit Gemüse- für umgerechnet 25 Cent zu haben ist. Die Masse macht's. Das weissauch Frau Oy, die Tag für Tag Nudeln brät und Abend für Abend angeblich mit 2000 Baht Gewinn nach Haue geht - immerhin 50 Euro.
Dennoch muss Frau Oy Joe Cummings nicht ins Nachtgebet einschliessen - denn das was in der Khao San Road geschieht, ist mehr das Ergebnis einer touristischen Revolution als das Resultat eines noch so einflussreichen Reiseführers. Thailand ist lange nicht mehr so fern wie früher: Flüge sind billig geworden, mit Englisch kommt man gut durch. Wer nur ein kleines bisschen Initiative an den Tag legt, kann es weit bringen - und auf seiner Fahrt wird er irgendwann auch in der Khao San Road landen. Und wer dieser Tage durch das Traveller-Ghetto streift, sieht sie alle: Die mit den Rastalocken, solche mit Batiktüchern, viele mit Tätowierungen, aber auch Besitzer von Rollerköfferchen und Markenklamotten. Was die Besucher eint, ist nicht mehr die alternative Einstellung - sondern der Wunsch, mit dem knappen Budget immer noch ein Stückchen weiter zu kommen.
Den Besitzer der Volk Bar wird es nicht stören, im Gegenteil. Die Bar ist ein rot-weisser VW-Bus aus der guten alten Hippe-Ära mitrot-silberner Blumentapete im Innern. Jeden Abend klappten hübsche junge Bedienungen nahe der Khao San Road das Camingdach hoch, die Seitenfenster auf, stellen Flaschen mit teurem Hochprozentigen auf den improvisierten Tresen, drehen die Musik auf, starten die Dico-Kugel. Wenn die neuen Farang Banglamphu es wünschen, mixen sie die ganze Nacht hindurch "Cocktails und Träume". Das verspricht zumdindet der Aufkleber auf der Tür des Busses.
(Quellenangabe: Adreas Härtel, "Sonntag Aktuell" v. 19.Mai 02)