Führungswechsel bei der WTO - Die Machtprobe
Supachai Panitchpakdi kam gegen den Willen der Vereinigten Staaten an die Spitze der Welthandelsorganisation
Von Manuela Kessler
Dr. Sup wird er in seiner thailändischen Heimat genannt. Das ist weit einfacher als der volle Name, Supachai Panitchpakdi, und drückt Wohlwollen und Anerkennung aus. Auf den Doktor legt er Wert, und Meriten hat er sich um sein Heimatland weit über den Titel hinaus erworben. Der 56-Jährige ist nämlich der Vordenker, der hinter dem wirtschaftlichen Aufschwung Thailands zu einem südostasiatischen Tigerstaat steckt. Er ist ein sanfter, aber wortgewaltiger Fürsprecher des freien Welthandels und ein alter Fuchs am Verhandlungstisch.
Supachai setzt sich für gerechtere Spielregeln ein im Handel zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, für Übergangsfristen, effizientere Strukturen und flankierende Maßnahmen, damit die sozialen Kosten der wirtschaftlichen Öffnung der Dritten Welt abgefedert werden. Die Hälfte der EU- Mitglieder, die meisten afrikanischen Länder und fast alle asiatischen Staaten, auch Japan, unterstützten die Kandidatur des thailändischen Vizepremiers und Handelsministers, als die Amtszeit des Italieners Renato Ruggiero 1999 auslief. Der damalige US-Präsident Bill Clinton aber zählte nicht zu seinen Freunden. Seine Regierung unternahm alles, was in ihrer Macht stand, um den Thailänder als WTO-Chef zu verhindern. Die USA schoben Mike Moore, den neuseeländischen Ex-Premier, in den Vordergrund und gewannen viele südamerikanische Staaten für ihren Favoriten. Ob dabei eine Rolle spielte, dass Washington diesen Ländern gleichzeitig Schulden erließ, ist ungeklärt. Tatsache ist, dass Thailand, das im Vietnamkrieg stramm auf Seite der USA gestanden hatte und sich als deren Verbündeter wähnte, dies als Schlag ins Gesicht empfand. Die bilateralen Beziehungen, schrieben die Zeitungen in der Hauptstadt Bangkok, würden nie mehr sein wie bisher. Der Vizepremier selbst erklärte unumwunden, das amerikanische Vorgehen spotte den Regeln des freien Marktes. Er bot den USA die Stirn. Die Pattsituation legte die WTO monatelang lahm, bis schließlich ein Kompromiss gefunden wurde: Die reguläre, vierjährige Amtszeit wurde um zwei Jahre verlängert und aufgeteilt zwischen den beiden Anwärtern. Mike Moore trat am Genfer Hauptsitz der WTO als erster an, Supachai kommt jetzt zum Zug.
Der Thailänder, der an der Erasmus-Universität Rotterdam in Entwicklungswirtschaft promoviert hat, unter dem Nobelpreisträger Jan Tinbergen, ist nicht nur ein brillanter und mitunter zerstreut wirkender Wissenschaftler. Als leidenschaftlicher Schachspieler versteht er sich auch auf taktische Manöver. Und Geduld haben ihn jene Monate gelehrt, die er als junger Mann als buddhistischer Mönch im Kloster verbracht hat. Vor gleich drei Feuerproben wurde er in den letzten fünf Jahren gestellt. 1997, als er gerade einmal nicht in der thailändischen Regierung saß, brach die Asienkrise über das Land herein. Supachai wurde als Krisenmanager ins Kabinett berufen. Er führte die thailändische Wirtschaft zurück auf den Wachstumspfad und hielt die sozialen Schäden mit einer expansiven Haushaltspolitik in Grenzen. Die zweite Belastungsprobe kam in Form der WTO-Kandidatur. Kaum war sie bestanden, stand Seattle an. Das Gipfeltreffen der Welthandelsorganisation Ende 1999 geriet unter dem Protest der Globalisierungsgegner zum Desaster. Supachai bezichtigte die amerikanischen Gastgeber der Einschüchterungspolitik: Ihr Globalisierungsmantra diene lediglich dem Zweck, die eigenen Interessen voranzutreiben und den heimischen Protektionismus zu bemänteln. Nur wer mit gutem Beispiel vorangehe, betonte er, vermöge zu überzeugen. Mehr Probleme als Lösungen lagen plötzlich auf dem Tisch. Die Scherben von damals sind noch längst nicht aufgeräumt. Supachai hat die letzten drei Jahre damit verbracht, sie unter die Lupe zu nehmen und ein Programm zu erarbeiten, wie die WTO reformiert werden kann. Wenn er es umsetzen will, braucht er zwar nicht die Freundschaft von US-Präsident George Bush, aber zumindest seine Unterstützung.
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