Ich saß eines Morgens wie üblich vor dem Haus auf der Bank mit einem Becher Kaffee und blickte auf die Palmen auf dem Gelände des Tempels direkt gegenüber unseres Hauses, als die friedliche Szenerie unterbrochen wurde durch ein Moped, was die Einfahrt des Grundstücks hochfuhr. Hinter dem Fahrer saß noch eine Frau.
Dass mir bisher unbekannte Personen zu Besuch kommen überrascht mich nicht sonderlich, nur die Verständigung ist etwas schwierig, da der gewöhnliche Isaanbewohner nur mangelhafte Kenntnisse der englischen Sprache hat. Deshalb rief ich nach meiner Frau, die sich gerade im haus befand um Wäsche zu waschen, damit sie das Begehren dieser Menschen ergründen möge.
Meine Vermutung, dass sie sich Geld leihen wollten, wurde nicht bestätigt. Nach einem kurzen Wortwechsel fuhren sie wieder von dannen und auf Nachfrage erklärte mir meine Frau:
“Sie haben gehört, dass wir morgen nach Pattaya fahren und da haben sie mich gefragt, ob wir ihre Tochter mitnehmen können, damit die dort an einer Bar arbeiten kann.”
“Und, was hast du ihnen gesagt?”
“Ich habe ihnen gesagt, sie sollten ihr 3.000 Baht mitgeben, aber sie haben gesagt, sie haben gerade kein Geld?”
“Und warum will sie dorthin, ist ihr Mann weg?”
“Ja, sie haben sich gerade das zweite Mal getrennt, nachdem sie es noch einmal versucht hatten und jetzt ist sie mit einem kleinen Kind auf sich allein gestellt.”
(Aus Gründen der Lesbarkeit habe ich mir erlaubt unsere Konversation aus dem üblichen Deutsch-Englisch-Thai-Mix sinngemäß in reines Deutsch zu übersetzen.)
Die Geschichte kommt mir allzu bekannt vor wie sicherlich jedem, der ein paar Bardamen nach ihren Beweggründen befragt hat. Es ist wohl eine allzu übliche Geschichte, dass der Mann weggelaufen ist und die Frau auf sich alleine gestellt bleibt.
Nebenbei bemerkt gibt es auch in Thailand eine Unterhaltspflicht, um die sich aber kaum jemand kümmert.
Nachdem ich am nächsten Morgen den Koffer auf den Pickup gehievt habe sitze ich wie fast jeden Morgen auch diesmal wieder vor dem Haus beim Kaffeetrinken. (Ich weiß, äußerst interessant, aber ich erspare euch Details.) Abermals fährt das mir nun bekannte Moped vor, diesmal nur mit dem Vater besetzt, der dafür aber eine kleine, offenbar halbvolle Tasche dabeihat, die geringere Ausmaße als das, was ich üblicherweise als Handgepäck mit ins Flugzeug nehme, hat.
Die abermalige Übersetzung meiner Frau ergibt, dass die Eltern sich entscheiden haben sie auch ohne einen Satang in der Tasche in eine ungewisse Zukunft in Pattaya zu schicken.
Meine Frau hat ihnen offenbar zugesagt, dass wir die Tochter mitnehmen und sie bei einer Frau aus dem Nachbardorf unterbringen. Es handelt sich dabei um eben die Dame aus dem ersten Teil.
Ihr Gepäck ist ja nun da, aber wo ist die Tochter?
Ich erfahre, dass wir diese um die Ecke treffen werden, wo sie mit der Mutter wartet und wo auch noch mein Schwager zusteigen wird, der wieder zurück zu seinem Job in Bangkok fährt, nachdem er sich zwei Wochen zu Songkran freigenommen hatte.
Ich sehe dann eine hübsche junge Frau von vielleicht Anfang 20 bei uns zusteigen. Sie sieht irgendwie verloren aus, aber ansonsten recht ungerührt. Ich überlege, wie ich mich wohl fühlen würde, wenn ich mit kaum einen Cent in der Tasche und Wäsche für vielleicht drei Tage zum Wechseln in eine ungewisse Zukunft fahren würde. Ich mag nicht nachfragen, aber ich gehe davon aus, dass sie sich eine Vorstellung davon macht, was sie in Pattaya erwartet, denn in einer Gegend, wo so viele Frauen nach Pattaya gezogen sind um ihr Glück zu suchen und einige wohl auch gefunden haben, kann man wohl davon ausgehen, dass auch darüber gesprochen wird, was in Pattaya wirklich passiert.
Irgendwann zwischen Khon Kaen und Korat ruft meine Frau die Frau aus dem Nachbardorf an auf ihrem Mobiltelefon. Es stellt sich aber heraus, dass diese sich ironischerweise in ihrem Heimatdorf bei ihrer Mutter befindet, also offenbar eine Auszeit von der Arbeit in Pattaya genommen hat.
Nun, in dem Apartmenthaus lebt noch eine andere Frau aus der Gegend. Allerdings hat die entweder kein Mobiltelefon oder meine Frau hat ihre Nummer nicht und das Telefon des Hauses scheint außer Betrieb.
(Dazu muss man wissen, dass offenbar in vielen Mehrfamilienhäusern ein oder mehrere Telefonleitungen bestehen, die in einer Art Vermittlung auflaufen, die dann die Gespräche in die einzelnen Wohnungen weiterleitet. Nur die wenigsten bringen den nicht gerade geringen Betrag auf, um sich eine eigene Leitung legen zu lassen und so eine direkte Durchwahl zu erhalten.)
“Was nun?”, frage ich meine Frau.
“Wir fahren einfach vorbei und schauen, dass wir sie unterbringen.”
Mein Mitgefühl verstärkt das ungute Gefühl, was ich schon ein paar Stunden vorher bei der Abfahrt hatte. Was muss sie dort hinten jetzt denken, oder fügt sie sich einfach nur in ihr Schicksal, da sie ohnehin nicht ändern kann was kommen mag?
In Korat legen wir einen Zwischenstopp ein um meinen Schwager in einen Bus zu setzen, da wir keine Lust haben nach Bangkok rein zu fahren, auch wenn er uns versuchte zu überreden zumindest nach Saraburi zu fahren. Er will wohl seine Kosten möglichst niedrig halten, aber das Problem wird gelöst, indem ich ihm die Busfahrkarte kaufe, was ich gerne mache.
Irgendwann während der fahrt sagt meine Frau: “Wenn ich nicht dabei wäre würdest du doch mit ihr schlafen, oder?” Jedes Wort wäre in diesem Augenblick falsch. Ich habe dann wohl gesagt “na klar” oder auch “natürlich nicht”.
Bevor wir zum Pattaya Marriott Resort & Spa fahren versuchen wir erst einmal wie versprochen unseren Fahrgast unterzubringen. Das sechsstöckige Haus befindet sich ein wenig außerhalb Pattayas jenseits der Sukumwit für diejenigen, die sich dort auskennen.
Tatsächlich ist auch jemand anwesend. Es ist nachmittags, aber nach mehrmaligen Klopfen macht die Bekannte aus dem Dorf auf, nachdem wir sie offenbar geweckt haben.
Man stelle sich nun einen Raum vor, der etwa 30 m² misst und von einer kahlen Neonröhre in einem kalten Licht beleuchtet wird mit einem Bett, einer weiteren Matratze auf dem Fußboden, einem Kühlschrank, zwei Schminktischen und einer Tür, die zu einem kleinen Badezimmer führt, dass aus einem Waschbecken, einer Toilettenschüssel, einem Duschkopf an der Wand und einem Loch im Boden besteht.
Obwohl diese “Wohnung” bereits von drei Personen bewohnt wird, erklärt man sich sofort bereit auch den Neuankömmling erstmal aufzunehmen und auch in einer Bar einzuführen resp. ihr dort einen Job zu besorgen.
Als meine Frau und ich abends ausgehen schlage ich vor, doch einmal in der Bar, wo unser Fahrgast wahrscheinlich untergebracht wurde, nachzusehen. Es ist nicht weit von unserem Hotel und so gehen wir zu Fuß dort hin.
Tatsächlich steht sie dort hinter dem Tresen. Sie sieht nicht unbedingt todunglücklich aus, eher gleichgültig.
Als wir uns entschließen eine Flasche Sangsom (mein Avatar lässt grüßen) zu erwerben lässt sie sich nicht zweimal bitten das eine oder andere Glas mitzutrinken. Wenig später habe ich den Eindruck, sie wäre schon immer einem solchen Beruf nachgegangen, von Scheu ist nichts mehr zu sehen.
Als ich mich später mit dem Barbetreiber unterhalte, sagt der mir, er hätte ihr erstmal ein Oberteil gekauft, damit sie was vernünftiges zum Anziehen hätte. Er hätte den Eindruck, sie würde ihre Sache schon gut machen. Sie hätte sich auch bereits mit einem Farang verabredet, der später noch einmal wieder kommen würde.
Ich will hier keine Wertung abgeben sondern nur einen Tatsachenbericht. Ich hoffe es ist wenigstens halbwegs rübergekommen, dass diese Dorfbewohner wesentlich härter im Nehmen sind als die meisten von uns, vor allem wenn ich mir dann so einige Trauergeschichten anhöre.
Jedenfalls bitte ich ausdrücklich um Kritik, ob positiv oder negativ oder zumindest eine lebhafte Diskussion.