
Jinjok
Senior Member
Themenstarter
Aus dem Tagespiegel vom 15.03.2002
Zwei Legenden
Der Allgäuer Kurt Wachtveitl leitet seit 35 Jahren das "Oriental" in Bangkok
Stefan Quante
Kerzengerade steht Kurt Wachtveitl in der berühmten Lobby seiner alten Lady. Seinem scharfen Auge entgeht nichts. Ein neuer Gast? "Willkommen im Oriental Hotel." Ein alter Freund des Hauses? "Schön, Sie wieder hier zu haben!" Seit bald 35 Jahren zeigt der Hausherr mittags und abends Präsenz - ein Gastgeber im eigentlichen Sinne.
Der schlanke Mann aus dem Allgäu verbreitet eine Mischung aus freundlicher Scheu und preußischer Disziplin. Katholik ist der 64-Jährige nur noch auf dem Papier: "Der Buddhismus erdet einen Menschen besser. Meine thailändische Ehefrau sagt mir, ich solle öfter aufs Land fahren. Die Menschen sind dort positiver. Wenn man zu reich ist, dankt man nicht mehr für jeden Tag auf diesem Planeten".
Mit den Reichen dieser Welt kennt Wachtveitl sich aus. Denn im Oriental waren und sind sie alle, die Nabobs und Milliardäre dieser Welt, die Schickeria aus Hochadel, Showbiz und Kunst. Seit Somerset Maughams Zeiten (dem berühmtesten der frühen Oriental-Gäste ist heute noch eine Suite mit seinen Original-Möbeln gewidmet) ist der Anteil an mehr scheinenden als seienden Gästen freilich etwas gestiegen. Und wenn Wachtveitl gleichzeitig Liz Taylor, Michael Jackson, dessen Schimpansen und den deutschen Bundespräsidenten zu Gast hat, hört der Spaß auch schon mal auf. "Von Weizsäcker hatte die größte Suite und entschied sich ein paar Tage länger zu bleiben. Da mussten wir mit der Taylor, dem Affen und Jackson ziemlich jonglieren." Überhaupt die Taylor: "Wenn alles in ihrem Sinne läuft ist sie der einfachste Mensch der Welt. Aber letztes Mal hat sie die große Suite wieder nicht bekommen, weil General Electrics-Boss Jack Welch da war, und sie fauchte mich nur an: 'Gott sei Dank, dass ich nicht mit dir zu Abend essen muss'."
Wachtveitl selbst sind solche Eitelkeiten völlig fremd. Besucher empfängt er gern im alten historischen Flügel des Hotels, wo das Herz des Oriental immer noch schlägt. Hier sind die vier schönsten Suiten, hier gibt es im seit Jahrzehnten unveränderten Ambiente aus weißen Korbsofas, üppigen Tropenpflanzen und historischen Fotos den nachmittäglichen High Tea und hier liegt der legendenstrotzende Reading-Room des Hotels. Das Chefbüro? "Nein, das ist nicht so schön. Es liegt gleich hinter den Toiletten bei den Lobby-Aufzügen." Und der Ausblick? Wenigstens auf den Fluss, den Chao Phraya? Im Gegenteil. Der weltweit am längsten ein Luxushotel leitende Manager der Welt haust in einem winzigen Büro mit Blick auf ein überdimensionale Abluftrohr und einen Fetzen Hinterhof. "Klar, ich könnte auch ein Riesenbüro im obersten Stockwerk haben. Aber das wäre betriebswirtschaftlich unsinnig, da haben wir lieber Suiten hineingebaut."
Kein Wunder, dass die meisten der etwa 1200 Oriental-Mitarbeiter ihren Chef "Mr. Kurt" auch für seine Bescheidenheit verehren. Den Großteil kennt Wachtveitl mit Namen, obwohl Thais den in ihrem Leben öfter wechseln. Zwei von dreien sind seit mehr als 15 Jahren im Haus, am längsten die Guest Relations Managerin - seit 53 Jahren. Wachtveitl erst seit dem 20. November 1967. "Das Datum habe ich so präsent wie meinen Hochzeitstag und die Geburtstage meiner Frau und Kinder." Und gefeiert wird dieser Tag auch - mit den Abteilungsleitern.
Die richtig große Feier haben Wachtveitl und seine große Liebe gerade hinter sich: Das Oriental wurde 125. Ein Jahr lang jagte ein Event das andere - Haute Couture-Schau mit Christian Lacroix, Original Wiener Opernball mit Debütantinnen und Sachertorte, Köchegipfel mit Girardet, Robuchon und Blokbergen. 50 Millionen Euro flossen in die Renovierung vor allem des River Wings, der Gartenflügel muss noch warten. Aber wegen der Hardware kommen die Gäste sowieso nicht hierher. Die Deckenhöhe der Zimmer ist anderswo höher, die Materialien edler und die Restaurants moderner. Aber das Oriental ist das vielleicht quirligste Luxushotel Asiens und kaum irgendwo ist der Service besser.
Das Oriental ist ein Phänomen. Selbst Profis wie Adlon-Direktor Jean van Daalen geraten da ins Staunen. Er kommt regelmäßig hierher, auch um zu sehen, wohin die Reise in anderen Ecken der Welt geht. Kann sich Wachtveitl überhaupt ein Leben nach dem Oriental vorstellen? "Im Juli werde ich 65 - vielleicht ein gutes Alter um aufzuhören ... Zwei Jahre lang wird man einer alten Liebe natürlich nachtrauern. Ich habe zwar keine Hobbys - dafür hatte ich nie Zeit - aber ich freue mich auf die Muße für Kunstgeschichte und Literatur."
Aber erst mal hat Kurt Wachtveitl noch ein paar Visionen: Die wenigen in Bangkok noch erhaltenen Gebäude im Kolonialstil möchte er gern zu einem Ensemble zusammenfassen, mit Restaurants und Eigentumswohnungen - "vielleicht so wie die Altstadt von Havanna oder den Rodeo Drive in Los Angeles." Und was ist mit seiner alten Lady, wenn sie eines Tages in andere Hände übergehen wird: "Im Buddhismus gibt es keine Eifersucht. Man muss loslassen können. Dann kommt eben ein neuer Mann."
Preise: Doppelzimmer ab 280 US-Dollar, Suiten ab 430 Dollar. Kochschule: Viertägige Kochkurse, das Paket ab 1788 Dollar (bei Doppelzimmerbelegung) enthält fünf Übernachtungen, Limousinentransfer, Frühstück, drei Mittag- und ein Abendessen.
Veranstalter: Der Kieler Reiseveranstalter Galka Golden Tours hat eine Woche Oriental (sieben Übernachtungen) für 1740 Euro (bis 31. März), beziehungsweise 1570 Euro (1. April bis 30. September) im Angebot.
Adresse: The Oriental, 48 Oriental Avenue, Bangkok, Thailand; gebührenfreie Reservierung unter: 008 00 / 28 28 / 3838. E-Mail-Adresse: bscorbkk@loxinfo.co.th, Internet: www.mandarinoriental.com
Zwei Legenden
Der Allgäuer Kurt Wachtveitl leitet seit 35 Jahren das "Oriental" in Bangkok
Stefan Quante
Kerzengerade steht Kurt Wachtveitl in der berühmten Lobby seiner alten Lady. Seinem scharfen Auge entgeht nichts. Ein neuer Gast? "Willkommen im Oriental Hotel." Ein alter Freund des Hauses? "Schön, Sie wieder hier zu haben!" Seit bald 35 Jahren zeigt der Hausherr mittags und abends Präsenz - ein Gastgeber im eigentlichen Sinne.
Der schlanke Mann aus dem Allgäu verbreitet eine Mischung aus freundlicher Scheu und preußischer Disziplin. Katholik ist der 64-Jährige nur noch auf dem Papier: "Der Buddhismus erdet einen Menschen besser. Meine thailändische Ehefrau sagt mir, ich solle öfter aufs Land fahren. Die Menschen sind dort positiver. Wenn man zu reich ist, dankt man nicht mehr für jeden Tag auf diesem Planeten".
Mit den Reichen dieser Welt kennt Wachtveitl sich aus. Denn im Oriental waren und sind sie alle, die Nabobs und Milliardäre dieser Welt, die Schickeria aus Hochadel, Showbiz und Kunst. Seit Somerset Maughams Zeiten (dem berühmtesten der frühen Oriental-Gäste ist heute noch eine Suite mit seinen Original-Möbeln gewidmet) ist der Anteil an mehr scheinenden als seienden Gästen freilich etwas gestiegen. Und wenn Wachtveitl gleichzeitig Liz Taylor, Michael Jackson, dessen Schimpansen und den deutschen Bundespräsidenten zu Gast hat, hört der Spaß auch schon mal auf. "Von Weizsäcker hatte die größte Suite und entschied sich ein paar Tage länger zu bleiben. Da mussten wir mit der Taylor, dem Affen und Jackson ziemlich jonglieren." Überhaupt die Taylor: "Wenn alles in ihrem Sinne läuft ist sie der einfachste Mensch der Welt. Aber letztes Mal hat sie die große Suite wieder nicht bekommen, weil General Electrics-Boss Jack Welch da war, und sie fauchte mich nur an: 'Gott sei Dank, dass ich nicht mit dir zu Abend essen muss'."
Wachtveitl selbst sind solche Eitelkeiten völlig fremd. Besucher empfängt er gern im alten historischen Flügel des Hotels, wo das Herz des Oriental immer noch schlägt. Hier sind die vier schönsten Suiten, hier gibt es im seit Jahrzehnten unveränderten Ambiente aus weißen Korbsofas, üppigen Tropenpflanzen und historischen Fotos den nachmittäglichen High Tea und hier liegt der legendenstrotzende Reading-Room des Hotels. Das Chefbüro? "Nein, das ist nicht so schön. Es liegt gleich hinter den Toiletten bei den Lobby-Aufzügen." Und der Ausblick? Wenigstens auf den Fluss, den Chao Phraya? Im Gegenteil. Der weltweit am längsten ein Luxushotel leitende Manager der Welt haust in einem winzigen Büro mit Blick auf ein überdimensionale Abluftrohr und einen Fetzen Hinterhof. "Klar, ich könnte auch ein Riesenbüro im obersten Stockwerk haben. Aber das wäre betriebswirtschaftlich unsinnig, da haben wir lieber Suiten hineingebaut."
Kein Wunder, dass die meisten der etwa 1200 Oriental-Mitarbeiter ihren Chef "Mr. Kurt" auch für seine Bescheidenheit verehren. Den Großteil kennt Wachtveitl mit Namen, obwohl Thais den in ihrem Leben öfter wechseln. Zwei von dreien sind seit mehr als 15 Jahren im Haus, am längsten die Guest Relations Managerin - seit 53 Jahren. Wachtveitl erst seit dem 20. November 1967. "Das Datum habe ich so präsent wie meinen Hochzeitstag und die Geburtstage meiner Frau und Kinder." Und gefeiert wird dieser Tag auch - mit den Abteilungsleitern.
Die richtig große Feier haben Wachtveitl und seine große Liebe gerade hinter sich: Das Oriental wurde 125. Ein Jahr lang jagte ein Event das andere - Haute Couture-Schau mit Christian Lacroix, Original Wiener Opernball mit Debütantinnen und Sachertorte, Köchegipfel mit Girardet, Robuchon und Blokbergen. 50 Millionen Euro flossen in die Renovierung vor allem des River Wings, der Gartenflügel muss noch warten. Aber wegen der Hardware kommen die Gäste sowieso nicht hierher. Die Deckenhöhe der Zimmer ist anderswo höher, die Materialien edler und die Restaurants moderner. Aber das Oriental ist das vielleicht quirligste Luxushotel Asiens und kaum irgendwo ist der Service besser.
Das Oriental ist ein Phänomen. Selbst Profis wie Adlon-Direktor Jean van Daalen geraten da ins Staunen. Er kommt regelmäßig hierher, auch um zu sehen, wohin die Reise in anderen Ecken der Welt geht. Kann sich Wachtveitl überhaupt ein Leben nach dem Oriental vorstellen? "Im Juli werde ich 65 - vielleicht ein gutes Alter um aufzuhören ... Zwei Jahre lang wird man einer alten Liebe natürlich nachtrauern. Ich habe zwar keine Hobbys - dafür hatte ich nie Zeit - aber ich freue mich auf die Muße für Kunstgeschichte und Literatur."
Aber erst mal hat Kurt Wachtveitl noch ein paar Visionen: Die wenigen in Bangkok noch erhaltenen Gebäude im Kolonialstil möchte er gern zu einem Ensemble zusammenfassen, mit Restaurants und Eigentumswohnungen - "vielleicht so wie die Altstadt von Havanna oder den Rodeo Drive in Los Angeles." Und was ist mit seiner alten Lady, wenn sie eines Tages in andere Hände übergehen wird: "Im Buddhismus gibt es keine Eifersucht. Man muss loslassen können. Dann kommt eben ein neuer Mann."
Preise: Doppelzimmer ab 280 US-Dollar, Suiten ab 430 Dollar. Kochschule: Viertägige Kochkurse, das Paket ab 1788 Dollar (bei Doppelzimmerbelegung) enthält fünf Übernachtungen, Limousinentransfer, Frühstück, drei Mittag- und ein Abendessen.
Veranstalter: Der Kieler Reiseveranstalter Galka Golden Tours hat eine Woche Oriental (sieben Übernachtungen) für 1740 Euro (bis 31. März), beziehungsweise 1570 Euro (1. April bis 30. September) im Angebot.
Adresse: The Oriental, 48 Oriental Avenue, Bangkok, Thailand; gebührenfreie Reservierung unter: 008 00 / 28 28 / 3838. E-Mail-Adresse: bscorbkk@loxinfo.co.th, Internet: www.mandarinoriental.com