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Der Thailändische Pragmatismus

Diskutiere Der Thailändische Pragmatismus im Treffpunkt Forum im Bereich Thailand Forum; Jo, dieses Thema beschäftigt mich schon seit langem und ich habe mich schon mehrmals gefragt, ob wir Langnasen die Regeln, Moralvorstellungen...
M

Marco

Gast
Jo, dieses Thema beschäftigt mich schon seit langem und ich habe mich schon mehrmals gefragt, ob wir Langnasen die Regeln, Moralvorstellungen, ........, in Thiland nicht manchmal zu eng sehen und auslegen. Anders herum gesagt, fehlt uns deutschsprechenden manchmal die Portion Pragmatismus, die für die Thais zum täglichen Überleben benötigen. Ich habe diese Frage schon anderswo gestellt, leider aber für mich keine befriedigenden Antworten erhalten.

Ich habe einen guten Link gefunden, wo der Pragmatismus definiert wird: http://www.net-lexikon.de/Pragmatismus.html

Defintion
Der Pragmatismus gilt in angelsächsichen Ländern als eine verbreitete Erscheinungsform der Lebensphilosophie, die starke subjektiv idealistische und agnostische (siehe Agnostizismus) Züge zeigt.


Der Agnostizismus (von Agnosie griechisch: a-gnoein "nicht wissen") bestreitet die Möglichkeit, grundsätzliche definitive Aussagen treffen zu können. Häufig wird der Begriff im Zusammenhang mit der Unmöglichkeit verwandt, die Existenz oder Nichtexistenz eines Gottes zu beweisen. Im Unterschied zur starken Form des Atheismus schließt der Agnostizismus nicht grundsätzlich die Möglichkeit der Existenz eines Gottes aus.
Der Begriff des Agnostizismus wurde maßgeblich durch Thomas Henry Huxley (1869) geprägt. Obwohl es sich um einen sehr jungen Begriff handelt, ist die dahinter stehende Auffassung deutlich älter und wird u.a. schon bei Xenophanes, Buddha, Laotse oder den griechischen Sophisten ("Von den Göttern weiß ich nichts, weder dass es solche gibt, noch dass es keine gibt") erwähnt.

Der Agnostiker ist sich der Grenzen des menschlichen Wissens bewußt. Er weiß bzgl. gewisser Fragen (Sophisten), "dass er nichts weiß". Er repräsentiert einen offenen Standpunkt, der weder die Existenz von Göttern noch deren Nichtexistenz behauptet. Der Agnostiker ist weder Theist noch Atheist: er bestreitet die Notwendigkeit, sich angesichts fehlenden Wissens in einen Glauben der einen oder anderen Richtung zu flüchten. Man kann auch zu anderen Fragen, die außerhalb des menschlichen Wissens liegen, einen agnostischen Standpunkt vertreten, z.B. in Bezug auf die Existenz außerirdischen Lebens, eines Lebens vor der Geburt/nach dem Tode, paralleler Universen, etc.


Ein kleines Beispiel soll verdeutlichen, wie ich den Pragmatismus erlebe:
Ich war im Juni zu Besuch bei Johann im Isaan. Am zweiten Tag haben wir einen Ausflug zu einem Tempel unternommen.

Als wir am Fusse des Tempels angekommen sind, hat mich Johann auf einen Pickup aufmerksam gemacht, der im Schatten eines Baumes stand.
"Dies ist das Auto des Mönchs, wir Europäer würden uns jetzt aufregen, weil die Mönche ja keinen eigenen Besitz haben dürfen, die Thais sehen das pragmatischer. Die stört das nicht."

Ich könnte hier noch stundenlange Beispiele aufführen, beispielsweise über das Gesetzt, dass ein Motorradfahrer einen Helm tragen muss, oder der Umgang mit der Sperrstunde um 1 Uhr, oder, oder, oder..... Auf jeden Fall kommt es mir so vor, als finden die Thais für jedes "Problem" eine pragmatische Lösung.

Nun frage ich mich, ob ich mit meiner Sichtweise auf dem Holzweg bin, oder ob ihr euch ähnliche Überlegungen auch schon gemacht habt?

:byebye: Marco
 
W

waanjai

Gast
Hmmm. Ich bin "gelernter Katholik". Das sage ich, weil in Deutschland, Katholik zu sein soviel bedeutet wie ein gelernter Ausbildungsberuf: Vom "Meßdiener hin zum Vorbeter", würde man heute zur Karriere sagen. Ich erwähne das nur, weil es "ein Weg" ist, Deine Frage nach den Erkenntnismöglichen als überflüssig auszuweichen :-)

Verläßt man aber dann dennoch diese anerzogenen Denk-Schablonen, dann gibt es mehr Optionen als Dein von Dir beschriebener Agnostizismus.
Z.B. könnte man auf die Idee kommen, die Erkenntnismöglichkeiten des Menschen generell zu verneinen und sich darauf verständigen, dass alles, was wir wissen, nur ein Ergebnis von "Vereinbarungen" unter uns Menschen ist. So z.B. den Nominalismus als Alternative zum Agnostizismus. Ein Tisch ist für ein Kind nur deshalb ein Tisch, weil die Mutter zu dem Objekt und allem Ähnlichen konsistent immer nur "Tisch" sagt. Nix ist erkannt. Aber vieles vereinbart.

Und wenn ich erst aufhöre, automatisch zu unterstellen, dass alles, was ich mit meinen Sinnesorganen und meinem Verstand "wahrnehme" auch Wahrheit ist, dann beginne ich, für mich und Andere kommunizierbare und zustimmungsfähige Regeln für die Erkenntnis von "Wahrheiten" zu entwickeln. Das nennt sich dann "kritischer Rationalismus" - eine Denkrichtung, der ich berufsbedingt anhänge.

Nur.... auch diese, meine Grundüberzeugungen, erlauben mir, den - wie immer auch definierten - Durchschnitts-Thai zu deuten und deshalb zu verstehen.
War es wirklich dies, wonach Du suchtest :-)
 
J

Johann43

Gast
@Marco,

meiner Meinung nach ist es immer die Sichtweise eines Einzelnen, wie er die Dinge sieht und bewertet ...... und wer will nun entgültig sagen, Du befindest Dich auf dem Holzweg? ...... es ist ganz einfach Deine subjektive Sicht der Dinge, die durch viele Faktoren Deines Lebens geprägt wurde.

Meine Sichtweise ist ähnlich, doch ob sie richtig ist ... wer mag das beurteilen? ............ für mich sieht es auch so aus, das Thai Andere und oft, für unsere anerzogenen Denk- und Sichtweise, nicht verständliche Lösung finden ..... das von waanjai erwähnte Löslösen, der eigenen anerzogenen Sichtweisen, ist für viele Menschen ein schwerer Weg und für so Manchen ganz einfach nicht möglich das kann man, hier in TH täglich, erleben.

Gruss aus dem Isaan

Johann :wink:
 
E

expatpeter

Gast
Marco,
Ich denke schon du hast Recht. Der Farang denkt prinzipiell, der Thai pragmatisch. Das kommt auch im Rechtssystem zum Tragen. Wer mehr hat, kann mahr zahlen. Oder: wer mehr hat, hat mehr Recht.
Schau dir einen Unfall an. Es geht gar nicht so sehr darum, wer Schuld hat. Es geht darum, wer den Schaden begleichen kann.
Wird jemand betrogen, fühlt sich der Farang auch dann betrogen, wenn es nur um einen Satang geht, schließlich geht es auch ums Prinzip. Der Thai wird es vergessen; es war ja nur ein Satang.
 
DisainaM

DisainaM

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khontingtong" schrieb:
"Dies ist das Auto des Mönchs, wir Europäer würden uns jetzt aufregen, weil die Mönche ja keinen eigenen Besitz haben dürfen, die Thais sehen das pragmatischer. Die stört das nicht."
Oft sprechen wir in Foren von Mönchen, ohne uns über den Hintergrund der jeweiligen Gemeinschaft im klaren zu sein.
Ein Tamajut Mönch wird es kaum gewesen sein.
Selbst die kürzlich angesprochene Ufo-Sekte hat ihre Mönche.

Ob nun der angesprochene Mönch das Auto für die Tempelgemeinde nutzt,
oder ob er nur für wenige Monate Mönch ist, und aus einer bekannten Familie kommt,
und vor allem, was für eine Form von Tempelgemeinschaft vorliegt,
kann man erst beantworten, wenn man nähere Infos hat.

Losgelöst von dem Beispiel aber stimmt es, daß der beschriebene Pragmatismus in Thailand zu finden ist.
Da kehrt eine Gruppe von Polizisten kurz vor der Sperrstunde in ein Lokal ein, und verlangt bedient zu werden;
kurz nach der Sperrstunde kommt eine zweite Gruppe Polizisten,
und macht dem Lokalbesitzer Probleme und zieht dann fröhlich mit der ersten Gruppe der Polizisten von dannen.
 
K

Kali

Gast
DisainaM" schrieb:
...und macht dem Lokalbesitzer Probleme und zieht dann fröhlich mit der ersten Gruppe der Polizisten von dannen.
Womit Du elegant den Bogen zum Fatalismus des Lokalbesitzers gespannt hättest :super:
 
tira

tira

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khontingtong" schrieb:
...die Portion Pragmatismus, die für die Thais zum täglichen Überleben benötigen.....
hallo marco,

werde mich an dieser stelle hier hüten einen kommentar zur thai gesellschaft abzugeben.
doch es war mit das erste, was mir an meiner thailändischen frau aufgefallen ist, ihr anerzogener
pragmatismus die dinge anzugehen oder zu regeln. denke mal der ist auf dem platten land im isaan
einfach notwendig für das überleben. es muss vieles mit einfachen mitteln improvisiert werden.
es sind da viele dinge/probleme, die wir in unserer verstädteter vorstellung so nicht wahrnehmen.

gruss :wink:
 
x-pat

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khontingtong" schrieb:
Definition: Der Pragmatismus gilt in angelsächsichen Ländern als eine verbreitete Erscheinungsform der Lebensphilosophie, die starke subjektiv idealistische und agnostische (siehe Agnostizismus) Züge zeigt.
Dieser Definition aus dem netlexikon kann ich nicht ohne weiteres zustimmen. Zum einen ist der Begriff zu eng gefasst, wenn man ihn auf die philosophische Bewegung Ende des 18ten Jahrhunderts beschränkt, deren Hauptvertreter Peirce und Dewey sind. Der Pragmatismus dieser Herren ist hauptsächlich auf die philosophischen Disziplinen der Ethik und Erkenntnistheorie gerichtet. Er stellt gewissermassen eine Gegenbewegung zum dem in den angelsächsischen Ländern verbreiteten Utilitarianismus (Locke) und Rationalismus dar. Zum anderen ist es stimmt es nicht das der Pragmatismus idealistische oder agnostische Züge trägt. Während Agnostizismus eine rationalistische Position ist, hat der Begriff des Idealismus eine ganz andere Bedeutung, vor allem im Zusammenhang der kontinentalen Philosophie (Hegel & Co.), die dem Pragmatismus fremd ist. Der Pragmatismus ist daher mit den zuletzt genannten Positionen in Opposition.

Es entsteht hier auch eine Verwischung der Begriffe "Agnostiker" und "Pragmatiker". Hier muss man aber die genauen Bedeutungen unterscheiden. Vereinfacht ausgedrückt sind diese folgendermassen: Der Atheist behauptet das Gott nicht existiert. Der Agnostiker behauptet dass man über die Existenz Gottes nichts wissen kann. Der Pragmatist behauptet das Gott nur dann existiert wenn er eine praktische Bedeutung für ihn hat.

khontingtong" schrieb:
Auf jeden Fall kommt es mir so vor, als finden die Thais für jedes "Problem" eine pragmatische Lösung. Nun frage ich mich, ob ich mit meiner Sichtweise auf dem Holzweg bin, oder ob ihr euch ähnliche Überlegungen auch schon gemacht habt?
Eindeutig Holzweg, und zwar aus folgendem Grund: Die thailändische Gesellschaft kann nicht in die westliche Ideenwelt des Pragmatismus oder Agnostizismus hereingepresst werden. Obwohl der Buddhismus -einer der Urquellen des thailändischen Denkens- philosophisch kompatibel mit dem Pragmatismus ist, gibt es eine lange Liste von Traditionen, Sitten, und Aberglauben, die dem Pragmatismus mehr oder weniger ins Gesicht schlagen. Dazu gehört der Glaube an Geister, Seelen, und Magie, sowie die stark ritualistische Ausprägung der Gesellschaft. Der pragmatische Wahrheitsbegriff, nämlich das nur solche theoretischen Konstrukte wahr sind, an die zu glauben sich als nützlich erweist, ist der thailändischen Kultur zwar nicht fremd, jedoch wird er durch nicht-zweckorientierte Doktrinen überlagert. In Thailand ehrt man zum Beispiel Eltern, Lehrer, Höhergestellte UNABHÄNGIG von der Praktikabilität und dem Nutzen dieses Verhaltens. Oder ein anderes Beispiel: Bei praktische Tätigkeiten, wie der Bau eines Hauses, orientiert man sich oft an den überlieferten Ritualen und Aberglauben, statt an rein pragmatischen Gesichtspunkten.

X-Pat
 
DisainaM

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x-pat" schrieb:
Bei praktische Tätigkeiten, wie der Bau eines Hauses, orientiert man sich oft an den überlieferten Ritualen und Aberglauben, statt an rein pragmatischen Gesichtspunkten.

X-Pat
Stimmt, Thailand gehört zu den wenigen Ländern, wo Strassen um Bäume herum gebaut werden, weil in diesen Bäumen besondere Kräfte leben.

In unserer Kultur ist das Verständnis verloren gegangen.
So konnte man anhand der in Köln freilebenden grünen Papageien/Sittige feststellen, daß der gesamte Schwarm nur einen einzigen Baum in der Stadt Köln benutzt, wo sie nachts über schlafen.

Leider fehlt in unserer Bevölkerung das Verständnis dafür.
In Roberts Forum fand ich folgende Geschichte;
Ein Freund von mir betreibt auf Phuket ein Guesthouse.
Auf seinem Grundstück stand ihm ein Baum für Bauvorhaben im Weg. Als er gegenüber seiner Frau einmal erwähnte, daß er den Baum fällen wollte, brach der Zorn seiner Frau und ihrer Freundinen über ihn herein.
Im Baum wohnten Geister und seine Frau und ihre Freundinen bestellten einmal im Monat eine Art Schamanen, der gegen ein kleines Entgeld, den Geister Opfer darbrachte uns sie nach den Lottozahlen und ähnlich Wichtigem befragte. Kurzum der Baum blieb stehen.
Da aber der Platz gewinnbringend zu vermieten gewesen währe, fragte mich mein Freund um Rat.
Nach eingehender Betrachtung des Objekts und intensiver Forschung auf dem Gebiet der Herbicide, wurde das Problem gelöst.
Der Baum starb ab, der Schmane entschied, daß die Geister sich wohl einen anderen Platz gesucht hätten und mein Freund vermietete den freien Platz gewinnbringend.
 
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