Typisch Thai: Der Schnupper-Kuss
Romantisch, respektvoll oder einfach niedlich: hom gäm erfreut das Herz. THAIZEIT präsentiert Auszüge aus dem Buch Typisch Thai.
Von: Philip Cornwel-Smith, Übersetzung: Dörte Döhl Fotos: GMM Grammy, Fantasia Wedding Centre
Eskimos reiben ihre Nasenspitzen gegeneinander. Im Westen werden die Lippen vereint. Aber wie drücken die Thais ihre Zuneigung aus? Sie schnuppern. Ein leichtes, schnelles Atemholen in der Nähe der Wange ist der Gipfel an Zärtlichkeit. Hom gäm (Schnupper-Kuss) bestätigt sowohl die bedingungslose Liebe zu einem Kind als auch die heruntergespielte Leidenschaft zwischen Liebenden. Eltern geben ihrem Nachwuchs wohlwollende und beruhigende hom gäm auf Wangen oder Stirn als ein Zeichen der Verbundenheit.
Jenseits von überschwänglichen, unschuldigen hom gäm sind die Beweggründe von Liebenden für einen Schnupper-Kuss ganz andere. Es ist der thailändische Weg, eine Eroberung zu machen. Schnuppern ist für die Thais so natürlich wie atmen. Die soziale Norm in Thailand setzt Reinlichkeit mit Kuscheligkeit gleich, eine Voraussetzung für körperliche Annäherung und für soziale Akzeptanz. Die Thais duschen demonstrativ vor dem Zubettgehen, und sie erwarten dasselbe von ihrem Partner. Sie vermeiden jeden, der ansatzweise men (schlecht riechend) ist, und weiden sich am reinen und leichten Duft des geliebten Menschen. Das Adjektiv hom bedeutet „gut riechen“, und das ist in Thailand eine kulturelle Obsession, noch dazu eine, die sich auszahlt.
Eine Nasenlänge voraus
In einer US-Studie aus den neunziger Jahren wurden rund 10.000 Menschen aus verschiedenen Ländern aufgefordert, den Geruch diverser Nationalitäten auf einer Skala von men bis hom einzuordnen. Ohne den Hauch einer Bevorzugung lagen die Thais den anderen Testpersonen mehrere Nasenlängen voraus. Die offiziell am besten riechenden Menschen können ihren guten Duft nicht nur auf eine dreimal täglich durchgeführte Seifenreinigung zurückführen, sondern anscheinend auch auf ihre Ernährung. Sie enthält wenig Milchprodukte, Fleisch und gewöhnliche Gewürze, dafür aber ist sie mit reichlich Koriander, Chili und Zitronengras versehen, die die Poren reinigen.
Schnupper-Kuss statt Freizügigkeit
In der Öffentlichkeit ist das Berühren zwischen Mann und Frau tabu, bei der Freundschaft mit Personen des eigenen Geschlechts wird es jedoch ermutigt. Das hat sich unter der städtischen Jugend seit der Mitte der neunziger Jahre größtenteils geändert. Küssen in der Öffentlichkeit ist aber so gut wie nie zu sehen, auch nicht im freizügigen Bangkok, in einer rasanten Seifenoper oder bei einem Hochzeitspaar. Angesichts dieser Verhaltensregeln tauschen thailändische Turteltauben einen bescheidenen Schnupper-Kuss aus. Privat kann das später zu mehr führen, vielleicht aber auch nicht. Man weiß es nie. Daher der erlesene Genuss des hom gäm: respektvoll, verführerisch, indirekt, thailändisch.