
Jinjok
Senior Member
Themenstarter
Aus dem Göttinger Tageblatt vom 22.04.2002
Fingerabdrücke verraten Wasser-Fließwege
Deutliche Schäden: Brückenabsenkung in Bangkok. Foto: privat
Was haben die Harzwasserwerke mit der Landabsenkung in Südostasien gemeinsam? In beiden Fällen geht es um die Gewinnung von Trinkwasser aus Grundwasserreservoiren. Wissenschaftler der Abteilung Isotopengeologie des Göttinger Zentrums Geowissenschaften untersuchen Zusammensetzung und Fließverhalten von Grundwasser. Isotope sind Atome desselben chemischen Elements mit gleicher Protonenanzahl und damit gleichen chemischen Eigenschaften, aber unterschiedlicher Anzahl an Neutronen. Die Isotopenzusammensetzungen von Gesteinen, Mineralien, Böden und Wässern sind ihre charakteristischen Fingerabdrücke. Mit ihrer Hilfe kann zum Beispiel das Alter von Gesteinen und Mineralien datiert, können geochemische Entwicklungen der Erde geklärt, Klimaschwankungen sowie Wanderungsbewegungen von Mensch und Tier rekonstruiert werden.
Geografische Regionen sind in der Regel durch eine bestimmte Strontium-Isotopensignatur des geologischen Untergrunds gekennzeichnet. Die Arbeitsgruppe Radiogene Isotope beschäftigt sich unter anderem mit der Signatur des Grundwassers im Harz sowie in Thailand und Nordkorea. Die Isotopengeologie ist als Grundlagenforschung zur Altersbestimmung entstanden, entwickelt sich aber immer mehr hin zur angewandten Forschung, erklärt Arbeitsgruppen-Leiter Prof. Bent Hansen die zahlreichen Betätigungsfelder. Dr. Bettina Wiegand analysierte das Trinkwasser in den großen Reservoiren des Harzes. An verschiedenen Stellen und Tiefen wurden Wasserproben entnommen und auf die 87Sr/86Sr-Signatur untersucht. Nach wiederholter Probenentnahme wurde so im Zeitverlauf das Fließverhalten des Grundwassers anhand unterschiedlicher Signaturen an den jeweiligen Stellen erkennbar. Die Harzwasserwerke bekommen mit dieser Methode wichtige Informationen zum Beispiel darüber, ob nach Einstürzen das Reservoir durch andere Wasserquellen gespeist wird.
In den Ballungsgebieten Südost-Asiens senkt sich der Boden kontinuierlich ab. Im Bangkok-Becken, dessen Boden aus Lehm und Schutt besteht, wurden in den vergangenen zehn Jahren eine Absenkung von 80 Zentimetern gemessen. Die Straßen gehen ab, die auf Pfeilern gebauten Häuser und Brücken bleiben stehen, beschreibt Hansen die Situation. So entstehen regelrechte Sprungschanzen, die aufgefüllt werden müssen, vor den Häusern kommen neue Treppenstufen hinzu. Wenn die Absenkung in diesem Ausmaß weitergeht, sind langfristig auch die Häuser in Gefahr, wenn die Pfeiler keinen Halt mehr finden. Grund für die Bodenabsenkungen ist der zu hohe Wasserverbrauch. Knapp 10 Millionen Menschen leben offiziell in Bangkok, die tatsächliche Einwohnerzahl wird aber auf 14 bis 15 Millionen geschätzt. Die Industrie betreibt zudem private Brunnen in den Grundwassergebieten, und auch die Touristen treiben den Wasserverbrauch in die Höhe. Wenn jeder dreimal täglich duscht, dann würde die Wassermenge, die täglich aus dem Boden gepumpt wird, 300 Tanklastzüge füllen, so Hansen. Der hohe Wasserverbrauch ist auch deshalb brisant, weil die Grundwasserreserven nicht natürlich aufgefüllt werden. Das Oberflächenwasser sickert insbesondere zur Regenzeit nicht ab, sondern fließt oberirdisch in den Golf von Siam ab.
Und hier kommen die Geologen ins Spiel. Um weitere Absenkungen zu vermeiden, soll Oberflächenwasser entnommen, in mehreren biologischen Stufen auf Trinkwasserqualität aufbereitet und dann über die Brunnen die Grundwasserkanäle aufgepumpt werden. Mit vorheriger Isotopenanalyse des einzuspeisenden Wassers kann zudem, so wie auch im Harz geschehen, das Fließverhalten des Grundwassers beobachtet werden, um anhand dieser Erkenntnisse die Wasserzufuhr zu steuern. Seit November 2000 arbeiten Hansen und Wiegand im Bangkok-Becken. Sie werden dabei vom Department of Mineral Resources, einer Abteilung des Industrieministeriums Thailands, mit örtlichen Mitarbeitern, Auto, Landkarten und weiterer Infrastruktur unterstützt.
Mindestens zweimal im Jahr, in der Regenzeit im Juni und Juli sowie in der Trockenzeit von November bis Januar, werden Oberwasserproben entnommen, die in Göttingen mit zwei Massenspektrometern analysiert werden. Bisher durch Eigenmittel und knapp 10000 Euro von der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) finanziert, hofft Hansen für die Fortführung des Projektes auch auf 200000 bis 300000 Euro aus dem im Herbst startenden Asien-Programm der Europäischen Union.
Fingerabdrücke verraten Wasser-Fließwege

Deutliche Schäden: Brückenabsenkung in Bangkok. Foto: privat
Was haben die Harzwasserwerke mit der Landabsenkung in Südostasien gemeinsam? In beiden Fällen geht es um die Gewinnung von Trinkwasser aus Grundwasserreservoiren. Wissenschaftler der Abteilung Isotopengeologie des Göttinger Zentrums Geowissenschaften untersuchen Zusammensetzung und Fließverhalten von Grundwasser. Isotope sind Atome desselben chemischen Elements mit gleicher Protonenanzahl und damit gleichen chemischen Eigenschaften, aber unterschiedlicher Anzahl an Neutronen. Die Isotopenzusammensetzungen von Gesteinen, Mineralien, Böden und Wässern sind ihre charakteristischen Fingerabdrücke. Mit ihrer Hilfe kann zum Beispiel das Alter von Gesteinen und Mineralien datiert, können geochemische Entwicklungen der Erde geklärt, Klimaschwankungen sowie Wanderungsbewegungen von Mensch und Tier rekonstruiert werden.
Geografische Regionen sind in der Regel durch eine bestimmte Strontium-Isotopensignatur des geologischen Untergrunds gekennzeichnet. Die Arbeitsgruppe Radiogene Isotope beschäftigt sich unter anderem mit der Signatur des Grundwassers im Harz sowie in Thailand und Nordkorea. Die Isotopengeologie ist als Grundlagenforschung zur Altersbestimmung entstanden, entwickelt sich aber immer mehr hin zur angewandten Forschung, erklärt Arbeitsgruppen-Leiter Prof. Bent Hansen die zahlreichen Betätigungsfelder. Dr. Bettina Wiegand analysierte das Trinkwasser in den großen Reservoiren des Harzes. An verschiedenen Stellen und Tiefen wurden Wasserproben entnommen und auf die 87Sr/86Sr-Signatur untersucht. Nach wiederholter Probenentnahme wurde so im Zeitverlauf das Fließverhalten des Grundwassers anhand unterschiedlicher Signaturen an den jeweiligen Stellen erkennbar. Die Harzwasserwerke bekommen mit dieser Methode wichtige Informationen zum Beispiel darüber, ob nach Einstürzen das Reservoir durch andere Wasserquellen gespeist wird.
In den Ballungsgebieten Südost-Asiens senkt sich der Boden kontinuierlich ab. Im Bangkok-Becken, dessen Boden aus Lehm und Schutt besteht, wurden in den vergangenen zehn Jahren eine Absenkung von 80 Zentimetern gemessen. Die Straßen gehen ab, die auf Pfeilern gebauten Häuser und Brücken bleiben stehen, beschreibt Hansen die Situation. So entstehen regelrechte Sprungschanzen, die aufgefüllt werden müssen, vor den Häusern kommen neue Treppenstufen hinzu. Wenn die Absenkung in diesem Ausmaß weitergeht, sind langfristig auch die Häuser in Gefahr, wenn die Pfeiler keinen Halt mehr finden. Grund für die Bodenabsenkungen ist der zu hohe Wasserverbrauch. Knapp 10 Millionen Menschen leben offiziell in Bangkok, die tatsächliche Einwohnerzahl wird aber auf 14 bis 15 Millionen geschätzt. Die Industrie betreibt zudem private Brunnen in den Grundwassergebieten, und auch die Touristen treiben den Wasserverbrauch in die Höhe. Wenn jeder dreimal täglich duscht, dann würde die Wassermenge, die täglich aus dem Boden gepumpt wird, 300 Tanklastzüge füllen, so Hansen. Der hohe Wasserverbrauch ist auch deshalb brisant, weil die Grundwasserreserven nicht natürlich aufgefüllt werden. Das Oberflächenwasser sickert insbesondere zur Regenzeit nicht ab, sondern fließt oberirdisch in den Golf von Siam ab.
Und hier kommen die Geologen ins Spiel. Um weitere Absenkungen zu vermeiden, soll Oberflächenwasser entnommen, in mehreren biologischen Stufen auf Trinkwasserqualität aufbereitet und dann über die Brunnen die Grundwasserkanäle aufgepumpt werden. Mit vorheriger Isotopenanalyse des einzuspeisenden Wassers kann zudem, so wie auch im Harz geschehen, das Fließverhalten des Grundwassers beobachtet werden, um anhand dieser Erkenntnisse die Wasserzufuhr zu steuern. Seit November 2000 arbeiten Hansen und Wiegand im Bangkok-Becken. Sie werden dabei vom Department of Mineral Resources, einer Abteilung des Industrieministeriums Thailands, mit örtlichen Mitarbeitern, Auto, Landkarten und weiterer Infrastruktur unterstützt.
Mindestens zweimal im Jahr, in der Regenzeit im Juni und Juli sowie in der Trockenzeit von November bis Januar, werden Oberwasserproben entnommen, die in Göttingen mit zwei Massenspektrometern analysiert werden. Bisher durch Eigenmittel und knapp 10000 Euro von der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) finanziert, hofft Hansen für die Fortführung des Projektes auch auf 200000 bis 300000 Euro aus dem im Herbst startenden Asien-Programm der Europäischen Union.